Das Blumenorakel
nicht, was sich die Magd ständig zusammenreimte. Wahrscheinlich war sie bloà eifersüchtig, dass sich solch ein Mann nicht für sie interessierte. Vor allem nachdem sich Moritz aus dem Staub gemacht hatte.
Kuckucksspucke, was bildete sich die Magd eigentlich ein? Wurde sie fürs Arbeiten bezahlt oder fürs Maulaffen feilhalten?
»Hast du nichts zu tun?«, fauchte Flora die Freundin an. »Soll der Kübel mit dem Abfall überlaufen? Auf den Komposthaufen damit, aber schnell!«
Kaum waren sie allein, ergriff Konstantin Floras Hand. »Wie habe ich Sie vermisst! Geradezu endlos erschien mir das Wochenende.« Während er sprach, streichelte er mit seinem Zeigefinger die Unterseite ihres Handgelenks. Floras Blut begann unter seiner Berührung wild zu pochen.
»Eine Schifffahrt auf dem Rhein ⦠Popo hatte uns alle eingeladen. Ich bin vor lauter Langeweile fast gestorben!« Er machte ein Gesicht, als erzähle er von einem Ausflug in die Hölle.
»Was soll ich erst sagen?«, erwiderte Flora. »Ich habe den ganzen Sonntag damit verbracht, meinem Sohn die Bauchschmerzen zu vertreiben.« Gierig sog sie den Duft seines Rasierwassers in sich auf, das würziger roch als alle Blumen und Gräser zusammen.
Wie immer, wenn Flora von ihrem Sohn und ihrer Familie erzählte, huschte ein Schatten über Konstantins Gesicht, gerade so, als schmerze es ihn, dass Flora in einer Welt lebte, zu der er keinen Zugang hatte. Flora ärgerte sich schon, Alexander überhaupt erwähnt zu haben.
Doch schon im nächsten Moment strahlte Konstantin wieder. Er zog ein rosa-weià geblümtes Tuch mit langen Fransen aus der Tasche und legte es Flora, ehe diese sich wehren konnte, um den Hals.
»Ich habe es bei einem fahrenden Händler am Rheinufer gekauft. Die Blumen auf dem Stoff erinnerten mich an Sie. Ach, müsste ich nur nicht ständig an Sie denken!« Mit einer zärtlichen Geste verknotete er das Tuch vor ihrer Brust, und als er von ihr ablieÃ, strichen seine Finger ihre schlanke Taille entlang.
»Das dürfen Sie nicht«, sagte Flora mit belegter Stimme und tastete nach dem Tuch. Es fühlte sich glatt und seidig an.
»Ob ich dem schönsten Blumenmädchen der Stadt etwas schenke oder nicht, bestimme immer noch ich«, gab Konstantin mit blitzenden Augen zurück.
Fröhlich plauderten sie weiter, während Flora aus Pfingstrosen einen Strauà band.
Als Konstantin nach einer knappen Viertelstunde den Laden wieder verlieÃ, schaute Flora ihm nach und streichelte dabei abwesend die Fransen ihres Tuches.
Für den Rest des Tages war sie bestens gelaunt.
»Ich werde mir für die Fürstin Markowa etwas ganz Besonderes ausdenken!«, sagte sie zu Sabine, als diese aus dem Garten zurückkam. »Oder hatte sie vorhin einen besonderen Wunsch geäuÃert?«
»Da war irgendetwas mit roten Rosen. Ich habe es nicht genau mitbekommen, du hast mich ja aus dem Laden gejagt«, antwortete Sabine kurz angebunden.
48 . K APITEL
P üppis Blick fiel auf ihren in Leder gebundenen Kalender. Wenn sie die Ziffern im Halbdunkel des Wohnzimmers richtig las, war heute der fünfzehnte Juni.
Einen Moment lang gönnte sie sich den Luxus, die Augen zu schlieÃen, und die Muskeln in ihrem Genick lockerten sich ein wenig.
Würde sich später am Tag nicht Elena, Sophias und Tabors Tochter, verloben? Konstantin hatte so etwas gesagt â¦
Püppi spürte, wie ihr Kopf zur Seite wegkippte. Nur nicht einschlafen! Sie stand auf und ging auf wackligen Beinen hinaus auf den Balkon.
Es war drei Uhr in der Früh. Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis es hell wurde, der Gesang der Nachtigallen ertönte und sie selbst endlich, endlich zu Bett gehen konnte. Püppi liebte die Sommermonate, in denen die Nächte so kurz und die Tage lang und sonnenverwöhnt waren. Sie hatte ihr Nachtkleid schon an. Bald würde sie unter die kühle Decke huschen. Sie war so müde â¦
Der fünfzehnte Juni â war dies nicht einer der sogenanntenSchwendtage? Dies aries  â schwarze Tage hatte Mutter diese Unglückstage, an denen man nichts Neues beginnen sollte, immer genannt. Keine Reisen! Keine Unterschriften auf Verträgen! Und nur ja kein Aderlass! Mutters Aberglaube war so weit gegangen, dass sie an Schwendtagen sogar die Fenster dunkel verhängt hatte. »An solch einem Untag wurde Christus ans
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