Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
Vermutungen verwirren, die sich im Nachhinein als falsch herausstellen könnten. Die Zeit rinnt wie Sand dahin - und die Sanduhr wurde den Menschen aus den Händen gerissen.«
»Aber wenn ihm Sonnenlicht nichts anhaben kann«, sagte Nora, »ist er vielleicht auch gegen Silber immun.«
»Sein Wirtskörper kann durchaus verletzt und sogar vernichtet werden. Ephraim ist es gelungen, ihn schwer zu verwunden. Was nicht heißt, dass Sie nicht doch Recht haben. Silber allein reicht möglicherweise nicht aus.«
»Was ist mit den anderen, von denen Sie uns erzählt haben?«, fragte Eph. »Den anderen sechs ›Ur-Vampiren‹. Drei in der Alten Welt, drei in der Neuen Welt. Wie passen die ins Bild?«
»Diese Frage habe ich mir selbst auch oft gestellt.«
»Wissen wir, ob sie auf seiner Seite sind? Ich würde mal sagen, ja.«
»Ganz im Gegenteil.« Setrakian klopfte mit dem Stock auf den Boden. »Sie sind seine Todfeinde, da bin ich mir ganz sicher.«
»Wie wurden sie erschaffen? Geschah das zur selben Zeit, nach derselben Methode?«
»Ich vermute es.«
»Was sagen die Mythen über diese ersten Vampire?«, fragte Nora.
»Nicht viel, Dr. Martinez, nicht viel. Sie werden hier und da mit der Judas- oder der Lilith-Geschichte in Verbindung gebracht, aber das ist populärwissenschaftlicher Unsinn. Doch es gibt da ein bestimmtes Buch. Eine Quelle …«
Eph sah sich um. »In welcher Kiste ist es? Ich hole es.«
»Dieses Buch befindet sich leider nicht in meinem Besitz. Noch nicht. Tatsächlich habe ich eine nicht unbeträchtliche Zeit meines Lebens mit der Suche danach verbracht.«
»Lassen Sie mich raten, Professor. Weltrettung leicht gemacht - ein Leitfaden für Vampirjäger. «
Setrakian schmunzelte. »Fast. Der Titel des Buches ist Occido Lumen . Wörtlich übersetzt bedeutet das: ›Ich töte das Licht‹. Oder in einer etwas freieren Übersetzung: ›Das gefallene Licht‹.« Setrakian zog den Sotheby’s-Katalog aus der Tasche und schlug eine bestimmte Seite auf.
Occido Lumen war dort aufgeführt, doch an der Stelle, an
der sich ein Foto befinden sollte, stand lediglich: KEINE ABBILDUNG VORHANDEN.
»Worum geht es in diesem Buch?«, fragte Eph.
»Das ist schwer zu erklären. Und noch schwerer zu akzeptieren. Während meiner Lehrtätigkeit in Wien habe ich mich mit etlichen okkultistischen Systemen befasst: mit dem Tarot, der Kabbala, der henochischen Magie - mit allem, was mir beim Verständnis der grundlegenden Fragen half, mit denen ich mich konfrontiert sah. Nicht gerade für einen Lehrplan geeignete Themen, doch aus Gründen, die ich hier nicht weiter ausführen will, gewährte mir die Universität genügend Mittel, um meine Forschungen betreiben zu können. Damals hörte ich zum ersten Mal von Occido Lumen . Ein Buchhändler aus Leipzig besuchte mich und zeigte mir Schwarz-Weiß-Fotos, körnige Aufnahmen einiger Buchseiten. Doch seine Forderungen waren mehr als unverschämt. Ich hatte bereits ein, zwei ›magische‹ Bücher von diesem Händler erstanden - für die er auch eine erkleckliche Summe erhalten hatte -, aber was er für Occido Lumen verlangte, war … lächerlich. Ich stellte Nachforschungen an und fand heraus, dass dieses Buch selbst unter Spezialisten als Betrug oder Schabernack gilt. Das literarische Äquivalent eines Mythos. Angeblich gibt es Auskunft über den Ursprung und die Natur der strigoi und - was noch wichtiger ist - enthält die Namen aller sieben Alten … Drei Wochen später fuhr ich nach Leipzig zu besagtem Händler. Doch sein Antiquariat war geschlossen, und von ihm selbst habe ich nie wieder etwas gehört.«
»Diese sieben Namen«, sagte Nora. »Was hat es damit auf sich?«
»Wer den Namen - den wahren Namen - eines Meisters weiß, gewinnt Macht über ihn.«
Eph klatschte laut in die Hände. »Sie wollen uns erzählen, dass wir auf der Suche nach dem teuersten Telefonbuch der Welt sind?«
Mild lächelnd reichte Setrakian Eph den Katalog. »Ich
kann Ihre Skepsis verstehen. Wirklich. Einem modernen Menschen, einem Mann der Wissenschaft - selbst einem, der gesehen hat, was Sie gesehen haben -, muss dieses uralte Wissen suspekt erscheinen. Verstaubt. Eine Kuriosität. Aber Sie müssen verstehen, dass der Name eines Wesens seine Essenz beinhaltet. Selbst wenn dieser Name in einem Buch aufgelistet ist. Namen, Buchstaben, Zahlen: Wenn man sie in ihrer Tiefe begreift, dann entfalten sie eine gewaltige Kraft. Alles im Universum ist verschlüsselt, und wenn man den Schlüssel
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