Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
Perfektionismus!
»Du solltest lieber damit aufhören.«
Nora. Sie kam ins Badezimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie war barfuß und trug eine frisch gewaschene Jeans und ein weites T-Shirt. Das schwarze Haar hatte sie zurückgesteckt.
Eph sah sie im Spiegel an. »Wir sind Auslaufmodelle, Nora, unsere Zeit ist vorbei. Im zwanzigsten Jahrhundert haben wir gegen Viren gekämpft. Im einundzwanzigsten kämpfen wir gegen … Vampire.« Er nahm noch einen Schluck. »Ich kann nicht verstehen, wieso du nicht trinkst. Genau deswegen hat man Alkohol doch erfunden. Ohne das Zeug kann man die Wirklichkeit doch gar nicht ertragen.« Er studierte das Etikett auf der Flasche. »Ich wünschte nur, ich hätte was Besseres als diesen Fusel hier.«
»Mir gefällt nicht, wie du dich verhältst.«
»Nun, ich bin das, was Fachleute einen ›funktionierenden Alkoholiker‹ nennen. Aber wenn du willst, kann ich mir das Zeug auch heimlich hinter die Binde kippen.«
Nora verschränkte die Arme, lehnte sich gegen die Wand und starrte Ephs Rücken an. Es war klar, dass sie so nicht weiterkam. »Es ist nur eine Frage der Zeit, Eph, bis Kelly Zack ausfindig macht und zu ihm kommt. Und mit ihr der Meister. Sie führt ihn direkt zu Setrakian.«
Wäre die Flasche leer gewesen, hätte Eph sie in diesem Augenblick vermutlich gegen die Wand geschmettert. »Das ist doch alles völliger Wahnsinn! Aber es ist real . Ich hatte noch nie einen Albtraum, der annähernd so schlimm war wie das hier.«
»Meinst du nicht, wir sollten Zack ganz von hier wegbringen?«
Eph nickte und umklammerte das Waschbecken mit beiden Händen. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht.«
»Und du solltest mit ihm gehen.«
Nun drehte sich Eph mit entschlossener Miene zu ihr um. »Versucht hier der Bootsmann seinem Käpt’n zu erklären, dass er besser das Kommando abgeben sollte?«
»Nein, hier versucht jemand, der dich sehr gern hat, dich davon abzubringen, dir Schaden zuzufügen. Es ist das Beste für Zack - und das Beste für dich.«
Eph schüttelte den Kopf. »Ich kann euch nicht im Stich lassen. Wir wissen beide, dass die Stadt dem Untergang geweiht ist. Und wenn New York fällt - dann lieber auf mich als auf dich.«
»Das ist doch Machoscheiße.«
»In einem Punkt hast du Recht: Solange Zack hier ist, kann ich mich nicht voll und ganz dem Kampf widmen. Ich muss die Gewissheit haben, dass er an einem sicheren Ort ist. In Vermont kenne ich …«
»Ich werde die Stadt nicht verlassen.«
Eph holte tief Luft. »Jetzt hör doch erst mal zu.«
»Ich werde nicht gehen, Eph. Du hältst dich für sehr ritterlich, aber in Wahrheit beleidigst du mich damit. New York ist auch meine Stadt. Zack ist ein großartiger Junge, und ich habe ihn wirklich sehr gern, aber ich werde nicht die gehorsame Frau spielen, auf die Kinder aufpassen und die Wäsche bügeln. Ich bin Ärztin und Wissenschaftlerin - so wie du.«
»Das weiß ich doch, Nora. Ich … ich habe an deine Mutter gedacht.«
Nora hatte den Mund schon zu einer Erwiderung geöffnet, doch damit hatte er sie so überrascht, dass sie stumm blieb.
»Sie ist doch krank, nicht wahr? Demenz im Frühstadium. Ich weiß, du machst dir um sie Sorgen - so wie ich mich um Zack sorge. Jetzt ist die Gelegenheit, sie aus der Stadt zu bringen. Kellys Eltern haben diese Hütte in den Bergen von Vermont und …«
»Ich werde aber hier gebraucht.«
»Wirklich? Werde ich denn hier gebraucht? Ich bin mir da nicht so sicher. Was ist jetzt das Wichtigste? Überleben, denke ich. Das ist das Einzige, was zählt. Wenn du die Stadt verlässt,
ist wenigstens einer von uns beiden in Sicherheit. Natürlich bin ich mir bewusst, wie viel ich von dir verlange. Wäre dies hier eine normale Epidemie, dann wären du und ich jetzt die wichtigsten Menschen in der Stadt. Wir stünden im Zentrum des Geschehens, und das völlig zu Recht. Doch wie es aussieht, hat diese Seuche unseren Glauben an die Wissenschaft ad absurdum geführt. Die Welt braucht uns nicht mehr, Nora, sie braucht keine Ärzte oder Wissenschaftler mehr. Was die Welt jetzt braucht, sind Exorzisten. Leute wie Abraham Setrakian.« Langsam ging Eph auf Nora zu. »Ich weiß gerade genug über sie, um ihnen schaden zu können. Und das will ich auch - ihnen schaden. Aber sie besiegen? Nein.«
Nora löste sich von der Wand. »Was soll das denn jetzt heißen?«
»Ich bin entbehrlich. So entbehrlich wie jeder andere - alte Pfandleiher mit Herzproblemen mal ausgenommen. Himmel,
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