Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
Vasiliy trägt weitaus mehr zu unserer Sache bei als ich. Er ist dem alten Mann viel nützlicher als wir.«
»Was du da sagst, gefällt mir gar nicht.«
Langsam verlor Eph die Geduld. Wenn sie doch nur die Dinge so sehen würde wie er! Ging das alles denn nicht in ihren Kopf? »Ich will kämpfen, Nora. Ich will alles geben. Aber das geht nicht, solange Kelly hinter jenen Menschen her ist, die mir am wichtigsten sind. Ich will, dass die, die ich liebe, in Sicherheit sind. Und damit meine ich Zack und dich.« Er griff nach ihrer Hand, ihre Finger schlossen sich umeinander. Die Berührung ließ Eph erschaudern. Wie lange war es her, dass er einen anderen Menschen so berührt hatte?
»Das klingt, als ob du einen Plan hättest«, sagte Nora.
Er schloss seine Finger noch fester um ihre. Ja, er hatte einen Plan. Einen verzweifelten und überaus gefährlichen Plan, der jedoch eine große Wirkung haben könnte. Vielleicht würde er das Blatt zu ihren Gunsten wenden … Doch jetzt sagte er lediglich: »Ich will einfach nur meinen Beitrag leisten.«
Eph drehte sich um, wollte nach der Flasche auf dem Waschbeckenrand greifen, aber Nora hielt seinen Arm fest und zog ihn wieder zu sich. »Lass das. Bitte.« Ihre teebraunen Augen waren wunderschön. Traurig. Menschlich. »Das brauchst du nicht.«
»Aber ich will es.«
Er wollte sich erneut umdrehen, doch ihr Griff blieb fest und entschlossen. »Wieso konnte Kelly dich nicht dazu bringen, damit aufzuhören?«
Eph dachte darüber nach. »Ich weiß nicht, ob sie es überhaupt versucht hat.«
Nora berührte sein Gesicht, strich erst über die stoppelige, unrasierte Wange, dann mit der Rückseite ihrer Finger über die glattrasierte Seite. Diese Geste löste die Spannung zwischen ihnen. »Mir würde es gelingen«, sagte sie ganz nahe an seinem Gesicht.
Dann trafen sich ihre Lippen, und eine Woge aus Leidenschaft und Hoffnung übermannte Eph - fast wie bei seinem allerersten Kuss. Er musste an die beiden Male denken, als sie miteinander geschlafen hatten, und ihm wurde heiß vor Verlangen. Doch da war noch etwas anderes: der einfache physische Kontakt zu einem Mitmenschen, den er so lange vermisst hatte.
Sie hielten sich fest umklammert, während Eph Nora sanft gegen die Wand drückte und seine Hände über ihren Körper wanderten. Sie waren völlig erschöpft und ganz und gar unvorbereitet auf das hier. Doch angesichts des puren Schreckens, der um sie herum herrschte, war diese allzu menschliche Handlung fast wie ein Akt des Widerstands.
ZWEITES ZWISCHENSPIEL
Occido Lumen
Während sie die Gracht entlangschlenderten, drehte der dunkelhäutige Antiquar im schwarzen, kragenlosen Samtjackett immer wieder an dem blauen Opalring, der an seinem kleinen Finger steckte. »Wissen Sie«, sagte er, »ich habe Mynheer Blaak niemals persönlich getroffen. Er ist sehr scheu.«
Abraham Setrakian ging neben ihm. Er reiste mit einem belgischen Pass, der auf den Namen Roald Pirk ausgestellt war, von Beruf »Buchhändler«. Das Dokument war das Werk eines äußerst begabten Fälschers.
Es war das Jahr 1972. Setrakian war sechsundvierzig Jahre alt.
»Aber eines kann ich Ihnen jedenfalls versichern, Monsieur Pirk«, fuhr der Antiquar fort, der bei dieser heiklen Transaktion als Zwischenhändler fungierte. »Er ist sehr reich. Mögen Sie Geld?«
»Durchaus.«
»Dann werden Sie an Mynheer Blaak Ihre helle Freude haben. Er ist bereit, für das Buch einen sehr hohen Preis zu zahlen, und hat mich autorisiert, auf jede Ihrer Forderungen einzugehen.«
»Das freut mich.«
»Ja, Sie hatten großes Glück, ein so seltenes Stück in Ihren
Besitz zu bringen. Ich nehme an, dass Sie dessen Geschichte kennen? Sind Sie abergläubisch, Monsieur Pirk?«
»Ja, bin ich. Eine Berufskrankheit, wenn Sie so wollen.«
»Ah, daher wollen Sie sich wohl auch davon trennen. Für mich war es immer eine Art umgekehrte Version des Flaschenkobolds . Kennen Sie diese Geschichte?«
»Robert Louis Stevenson?«
»Ja. Oh, ich hoffe, Sie denken jetzt nicht, dass ich Ihre literarische Bildung einem Test unterziehen will. Mir ist Stevenson eingefallen, da ich erst vor kurzem die Ehre hatte, eine sehr seltene Ausgabe von Der Erbe von Ballantrae zu veräußern. Im Flaschenkobold jedoch - wie Sie sich sicher erinnern - muss jene verfluchte Flasche jedes Mal für weniger verkauft werden, als sie erstanden wurde. Ganz im Gegenteil zu unserem Buch hier. Da verhält es sich genau andersherum.« Der Antiquar spähte
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