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Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall

Titel: Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Guillermo;Hogan Del Toro
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Schlaflied …
    Setrakian hatte bemerkt, dass der Kammerjäger ihn ansah.
    »Verzeihen Sie, Professor. Aber … wem hat dieses Herz einmal gehört? Die Geschichte, die Sie uns erzählt haben …«
    Setrakian nickte. »Ja. Dass ich es einer jungen Witwe in einem Dorf in Nordalbanien entnommen habe. Sie haben Recht, das ist nicht die ganze Geschichte.«
    Die Augen des alten Mannes füllten sich mit Tränen, und es verging eine Weile, bevor er Vasiliy schließlich die ganze Geschichte erzählte. Flüsternd. Denn es war keine Geschichte, die man mit lauter Stimme erzählen konnte.

     
     
     
    LETZTES ZWISCHENSPIEL
Setrakians Herz
    Wie zahllose andere Überlebende des Zweiten Weltkriegs war Abraham Setrakian im Jahr 1947 nach Wien gekommen. Er ließ sich in der von den Russen besetzten Zone der Stadt nieder und verdiente sich seinen Lebensunterhalt damit, Möbelstücke aus aufgegebenen Lagerhallen und Anwesen in allen vier Besatzungszonen zu erwerben, zu restaurieren und mit Gewinn weiterzuveräußern.
    Einer seiner damaligen Kunden war Professor Ernst Zelman, einer der wenigen Überlebenden des berühmten Wiener Kreises, einer Gruppe von Philosophen und Wissenschaftlern, die sich in den zwanziger Jahren gebildet hatte und dann von den Nazis zerschlagen worden war. Aus dem Exil nach Wien zurückgekehrt, hatte Zelman den jungen Setrakian sofort in sein Herz geschlossen. In der drückenden Stimmung, die damals in der Stadt herrschte - man sprach nicht über »die Vergangenheit«, obwohl ihre Spuren doch unübersehbar waren -, fanden Zelman und Setrakian Trost in ihrer gegenseitigen Gesellschaft.
    Zelman gestattete dem jungen Mann, sich großzügig in seiner Bibliothek zu bedienen, und Setrakian, der kurz vor seiner akademischen Abschlussprüfung stand und ohnehin unter Schlaflosigkeit litt, machte sich systematisch und mit großem Eifer daran, ein Buch nach dem anderen zu verschlingen. Im
Jahre 1949 erhielt er eine Promotionsstelle an der philosophischen Fakultät der Universität Wien, und wenige Jahre darauf wurde er zum außerordentlichen Professor berufen.
    Dann wurde ihm - völlig überraschend - ein großzügiges Forschungsstipendium angeboten. Das Geld kam von der Firma eines Mannes namens Eldritch Palmer, ein amerikanischer Industrieller, der kräftig in Europa investierte und großes Interesse an okkulten Objekten hatte. Diese Förderung ermöglichte es Setrakian, in den frühen sechziger Jahren etliche Expeditionen zu unternehmen und so seine Sammlung kulturell bedeutender Artefakte deutlich zu vergrößern. Das Glanzstück der Kollektion war der wolfsköpfige Gehstock von Jusef Sardu, jenes sagenumwobenen Riesen aus den Geschichten seiner Großmutter, dessen Körper nun von einer dunklen Kreatur bewohnt wurde.
    Bald aber begann Setrakian daran zu zweifeln, dass er und Eldritch Palmer dieselben Interessen verfolgten. Ja, es schien ihm, dass Palmers Absichten in krassem Gegensatz zu seinem Vorhaben standen, die vampirische Verschwörung aufzudecken und zu vernichten. Dies führte zu einer heftigen Auseinandersetzung und schließlich zum Bruch mit dem Industriellen.
    Und so war es für Setrakian kein großes Rätsel, wer hinter den Gerüchten um eine Affäre mit einer Studentin steckte, die dazu führten, dass er seine Stelle an der Universität verlor. Er hatte sich auch nur halbherzig dagegen wehren können - denn die Gerüchte entsprachen der Wahrheit.
    Ihr Name war Miriam Sacher.
    Vor vielen Jahren hatte die junge Frau nur knapp die Kinderlähmung überlebt und musste seither Schienen an Armen und Beinen tragen. Was sie für Setrakian nur noch schöner machte - ein wundervoller Vogel, der niemals gelernt hatte zu fliegen. Sie war Studentin der Romanistik, hatte an mehreren von Setrakians Seminaren teilgenommen, und schon bald hatten sie einen Narren aneinander gefressen. Da es für
einen Professor damals undenkbar war, an der Universität mit einer Studentin eine wie auch immer geartete Verbindung einzugehen, überredete Miriam ihren Vater, Setrakian als ihren Privatdozenten einzustellen.
    Um zum Anwesen der Sachers zu gelangen, musste Abraham zweimal mit der Straßenbahn umsteigen und schließlich noch eine Stunde Fußmarsch auf sich nehmen. Das Haus hatte keinen Strom, sodass Abraham und Miriam beim Schein einer Öllampe in der Bibliothek arbeiteten. Miriam saß in einem hölzernen Rollstuhl und ließ sich von Setrakian jedes Mal zu den Bücherregalen schieben, wenn sie neue Lektüre benötigte. Dabei

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