Das Blut der Azteken
das ist noch milde ausgedrückt.«
Sancho fesselte mir Hände und Füße. Die Mestizen trugen mich in sein Zelt und warfen mich auf den Boden. Ein paar Stunden verbrachte ich damit, mich zu verrenken, um mich von den Fesseln zu befreien, doch Sancho hatte mich gut verschnürt.
44
Sie hatten mich an einen Baum gefesselt, von wo aus ich auf dem Boden sitzend die Vorbereitungen beobachtete. Mit einer Eisenstange bohrten die Mestizen ein tiefes Loch in die Wand der Pyramide, achteten jedoch darauf, dass es nicht allzu breit wurde. Es war kaum groß genug, um den Fuß hineinzustecken, geschweige denn, dass mein ganzer Körper hindurchgepasst hätte. Erwarteten diese Grabräuber etwa von mir, dass ich mich so dünn machte?
Nachdem Mateo etwas in dieses Loch gestopft hatte, stapelten die Mestizen Holz und Decken davor auf. Erstaunt sah ich zu und fragte mich, was sie da trieben. Dann streute Mateo ein Pulver in einer dünnen Spur auf den Boden. Es erinnerte mich an das Schwarzpulver, mit dem die Soldaten ihre Musketen luden.
Schließlich zündete er das Ende der Spur an. Rauch stieg von dem Pulver auf, als die Flamme sich der Mauer näherte. Es gab einen vom Holz und von den Decken gedämpften -Knall. Als der Rauch sich verzog, war ein kleines Loch in der Mauer zu sehen.
Mateo fluchte. »Diese verdammten Indios wussten, wie man baut, damit böse Buben wie wir nicht hineinkommen. Das Schwarzpulver hätte genügt, um eine Galeone zu versenken, und trotzdem hat der Stein kaum einen Kratzer abgekriegt.«
Die beiden Mestizen räumten den Schutt zur Seite und fingen erneut an, mit ihrer Eisenstange zu stochern. Immer wieder brachte Mateo das Schwarzpulver zum Einsatz. Um die Mittagszeit hatten sie einen kleinen, einige Meter langen Tunnel in den Stein gesprengt, der gerade breit genug war, dass ein zierlicher Schlangenmensch sich hineinquetschen konnte. Aus dem Gespräch zwischen Sancho und Mateo erfuhr ich, dass es beim ersten Versuch einiger Tage und der Hilfe mehrerer Indios bedurft hatte, um einen Tunnel zu schlagen, der groß genug für meinen Vorgänger war. Die langwierigen Arbeiten hatten die Neugier der Behörden in Oaxaco geweckt. Doch dank Mateos Schwarzpulver hatte es diesmal nur wenige Stunden gedauert.
Von Bruder Antonio, aber auch auf den Straßen hatte ich viel über Grabräuber gehört. Jeder kannte jemanden, der einen Freund hatte, der wiederum eine Geheimkarte besaß, welche zeigte, wo Montezuma seine Schätze vor Cortés versteckt hatte. Andere berichteten vom Grab eines Königs von Texcoco, dessen unglaubliche Schätze von Dieben entdeckt worden waren. Doch die Gespenster und Geister, die das Grab bewachten, hatten die Übeltäter in Stein verwandelt.
Alle wussten, dass es Unglück brachte, in die Gräber längst verstorbener Herrscher einzudringen, da man so den Zorn der Götter über sich heraufbeschwor. Menschen, die alte heilige Stätten schändeten, wurden verflucht und nahmen ein schlimmes Ende - wenn die Spanier sie nicht zuerst in die Finger bekamen. Als ich sieben war, wurden in dem Dorf, in dem ich lebte, zwei Männer aufgehängt. Sie waren auf der Suche nach Reichtümern in ein Grab eingebrochen.
O Gott, worauf hatte ich mich da eingelassen? Wenn ich erwischt wurde, würde man mich gemeinsam mit den anderen hängen oder mich, noch schlimmer, in die Bergwerke im Norden schicken. Wenn ich den Schatz jedoch fand, würde mir Sancho zum Lohn die Kehle durchschneiden.
Nach dem Mittagessen banden Sancho und Mateo mich los und brachten mich zu dem Loch.
»Nach einigen Metern mündet das Loch in einem Gang, der zum Grab führt«, erklärte Sancho. »Deine Aufgabe ist ganz einfach. Du kriechst den Gang hinunter, holst den Brustpanzer und kommst zurück. Verstanden?«
»Warum hat Euer Helfer Euch den Schatz nicht gebracht, wenn es so leicht ist?«
»Ich habe dir doch gesagt, dass wir gezwungen waren, die Öffnung zuzumauern.«
»Hättet Ihr nicht noch einen Moment warten können, bis er mit dem Schatz zurück war?«
Sancho versetzte mir einen Schlag. Ich taumelte nach hinten und stürzte zu Boden. Dann rang er die Hände. »Mein Junge! Siehst du, wozu du mich treibst? Du stellst zu viele Fragen. Und wenn ich zu viele Fragen höre, bekomme ich Kopfschmerzen.«
Er führte mich zu der Öffnung. »Wenn du unten bist, stopf dir die Taschen mit Edelsteinen voll. Alles, was da liegt, darfst du behalten.«
Ach, dieser Mann war wirklich großzügig. Vermutlich hätte er seiner Mutter die Nase
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