Das Blut der Azteken
wolle sich gerne eines der Mädchen ausleihen.
Während ich am Feuer kniete und für mich und den Zauberer das Mittagessen vorbereitete, sah ich Mateo und Sancho zu einer gewaltigen Pyramide, der größten der Stadt, gehen, die im Licht der hoch am Himmel stehenden Sonne golden schimmerte. Die beiden Männer untersuchten gründlich die Seiten des Gebäudes. Ich konnte keine Tür erkennen. Der Klang ihrer Stimmen drang mir ans Ohr, aber ich verstand nicht, was sie sagten. Allerdings schloss ich aus ihren Gesten, dass sie sich nicht einig waren, wie sie in den Tempel eindringen sollten. Ich schnappte das Wort ›Schwarzpulver‹ auf.
Ich warf einen Blick auf den Zauberer, der an einem Baum lehnte und gemütlich eine Pfeife rauchte. Er hatte die Augen halb geschlossen, und seine Miene war so reglos wie ein See an einem windstillen Tag. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich Geheimnisse vor ihm hatte, aber mir blieb nichts anderes übrig. Seit unserer Ankunft in Monte Albán war mir nämlich klar, welchen ›einfachen Auftrag‹ ich für die beiden Spanier ausführen sollte.
Offenbar hatten die beiden ihre Meinungsverschiedenheiten beigelegt, denn Mateo winkte mich zu sich. Ich gehorchte sofort.
Sancho wies auf die Stelle, die sie untersucht hatten. Ein Relief an der Wand zeigte einen Gott, der aus dem Maul eines heiligen Jaguars kam. »Hinter dieser Wand befindet sich ein versiegelter Gang. Wir haben ihn bereits an einer anderen Stelle geöffnet, doch als wir ihn wieder verschlossen, ist er eingestürzt. Nun werden wir eine zweite Öffnung hineinschlagen. Der Gang führt hinunter in die Grabkammer eines Zapotekenkönigs, der zu der Zeit starb, als Pilatus Christus kreuzigen ließ. In diesem Grab befindet sich die Totenmaske des Königs, an der ein Teil eines Brustpanzers befestigt ist. Das Schmuckstück besteht aus massivem Gold und ist außerdem mit Perlen und Edelsteinen verziert.«
Sancho hielt inne, damit das Gesagte Wirkung zeigte. Ich hatte bereits vermutet, dass der Mann ein Grabräuber war.
»Warum habt Ihr es nicht bei Eurem letzten Versuch rausgeholt?«, fragte ich.
»Ach, mein Fr eund, du bist ein kluger Mann. « Als Sancho mir den Arm um die Schultern legte, musste ich ein Würgen unterdrücken. »Es hätte uns eigentlich glücken müssen, aber wir wurden betrogen. Wir haben jemanden hinuntergeschickt, einen Mann, der ein wenig breiter war als du, und er ist nie zurückgekommen.«
Ich sah Sancho und Mateo an.
»Was soll das heißen, er ist nie zurückgekommen? Gibt es denn einen zweiten Ausgang?« Sancho schüttelte den Kopf.
»Dann ist er also noch dort unten«, meinte ich.
»Ja, das war ja gerade der Betrug. Der Schatz hat ihm so gut gefallen, dass er beschloss, unten zu bleiben und ihn zu bewundern. Dann kamen ein paar Soldaten des Vizekönigs vorbei…«
»Ihr habt ihn eingemauert und seid geflohen.« Sancho grinste.
»Wie lange ist das her?«, fragte ich.
Sancho tat, als müsse er erst mühsam nachrechnen. »Dreißig Tage.«
Ich nickte und bemühte mich zu lächeln. »Ich verstehe.«
O heilige Muttergottes, ich war einem Verrückten in die Hände gefallen.
»Auf dem Markt bin ich meinem guten Freund Mateo begegnet und habe ihn um Hilfe gebeten, weil er mit Schwarzpulver umgehen kann. Und dann hat er dich entdeckt. Wir brauchen jemanden, der schlank genug ist, um durch den Gang zu kriechen. Außerdem muss derjenige wegen der scharfen Kurven gelenkig sein. Das Übrige«, Sancho hob in einer abschließenden Geste die Hände, »weißt du ja selbst.«
Also wollten sie ein Loch in den Gang sprengen und mich hineinschicken. Wenn ich es schaffte, den Schatz zu holen, würde man mir als Belohnung die Kehle durchschneiden. Und falls Sancho wieder von den Soldaten des Vizekönigs gestört werden sollte, würde er mich einmauern und sterben lassen. Außerdem hatte ich Angst um den Zauberer. Sobald Sancho sein Ziel erreicht hatte, würde er den alten Mann beseitigen, damit es keinen Zeugen gab. Wenn der Zauberer nicht zu alt und zu langsam gewesen wäre, um zu fliehen, wäre ich auf der Stelle in den Wald gerannt.
Sancho las meine Gedanken. »Nein, mein Junge, grüble nicht über vertane Gelegenheiten. Das Gold reicht für uns alle. Mit deinem Anteil kannst du dir eine eigene Hacienda kaufen.«
Hätte ich nicht so viel auf den Straßen von Veracruz gelernt und weniger Erfahrung mit Leuten gehabt, die logen, sobald sie den Mund aufmachten, vielleicht hätte ich ihm geglaubt.
»Ich werde in
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