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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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abgeschnitten, wenn sich dafür ein Käufer gefunden hätte.
    Er hängte mir einen Beutel mit vier Kerzen und einer kleinen Fackel um den Hals. Dann reichte er mir eine brennende Kerze. »Zünde die Fackel erst an, wenn du unten in der Grabkammer bist.«
    Dann band er mir ein langes Seil um die Taille, damit ich wieder zurückfand, falls sich der Gang zu einem Labyrinth verzweigen sollte.
    Bevor ich den Kopf in das Loch steckte, packte er mich und drückte mich fest an sich. »Amigo, wenn du nicht auf den Schatz stößt, brauchst du gar nicht mehr rauszukommen.«
    Von düsteren Vorahnungen gequält kroch ich in das Loch. Dort war es nicht dunkel wie in der Nacht, sondern eher so wie in Mictlán, der Unterwelt, und außerdem gespenstisch still wie in einem Grab. Die Luft war kalt und stickig und roch wie der Atem des Todes - ein muffiger, fauliger Gestank.
    Bruder Antonio hatte Recht gehabt. Mit meiner Erziehung lag offenbar einiges im Argen, denn sonst wäre ich nicht auf Schritt und Tritt in Schwierigkeiten geraten. Während andere Mestizen als Hausdiener im Warmen und Trocken saßen oder wenigstens in jungen Jahren durch Trunksucht den Gnadentod in der Gosse fanden, musste ich stets das Schicksal herausfordern.
    Was würde ich in diesem alten Königsgrab antreffen? Was würde mir dort widerfahren? Ich hatte nichts als meine Ahnungslosigkeit, um mich vor den Geistern in diesem Tempel zu schützen.
    Der Gang wurde so eng, dass ich nicht mehr auf Händen und Knien kriechen konnte. Also legte ich mich auf den Bauch und robbte mit Armen und Ellenbogen weiter und schürfte mir auf dem rauen Gestein die Haut auf.
    Ich betete, dass in diesem Grab nichts auf mich lauerte, das vom Geruch frischen Blutes angelockt werden würde.
    Nach einigen Metern hatte ich das Gefühl, über Speerspitzen aus Obsidian zu kriechen. Ich erreichte einen anderen Gang und war, da ich nur ein paar Meter weit sehen konnte, froh über das Seil um meine Taille. Der neue Gang war nicht breiter als das in die Mauer gesprengte Loch, aber offenbar vor vielen Jahrhunderten in den Stein gehauen worden und um einiges glatter. Ich zündete eine neue Kerze an und ließ die alte stehen. Doch ihr Licht konnte die Dunkelheit kaum durchdringen.
    Obwohl ich jung und kräftig war, bedeutete es harte Arbeit, mich mit Ellenbogen und Beinen weiterzuschieben. Bald keuchte ich heftig, nicht nur vor Anstrengung, sondern auch wegen eines übermächtigen Gefühls der Angst. Die kalte, übel riechende Luft in diesem Tunnel, der so eng war wie ein Sarg, konnte man fast nicht atmen. Entweder hatte man diesen Gang so angelegt, um Grabräuber abzuschrecken, oder die frühen Zapoteken waren mager und geschmeidig wie Schlangen gewesen. Der Gang krümmte und wand sich ohne einen erkennbaren Sinn. Falls mir etwas Gefährliches begegnen sollte, müsste ich rückwärts kriechen, was noch schmerzhafter und beschwerlicher sein würde als das langsame Robben. Wie für meinen Vorgänger würde der Tempel auch für mich zum Grab werden.
    Ich stieß auf ein Paar schmutzige Füße.
    Im dämmrigen Kerzenschein gewann ich den Eindruck, dass sie einem kürzlich Verstorbenen gehörten, nicht jemandem, der vor langer Zeit hier beigesetzt worden war.
    Nun saß ich in der Klemme. Wenn ich mich rückwärts wieder zum Ausgang vorarbeitete, würde Sancho mich umbringen. Also müsste ich über die Leiche kriechen.
    Ich schob mich auf den Toten, doch der Platz reichte nicht, um mich zu bewegen. Als ich mich mit aller Kraft weiterdrängte, stieß ich mit dem Rücken an die Tunneldecke. Ich steckte fest. Und auch umzukehren war unmöglich.
    Ich drückte und presste aus Leibeskräften. Mein Rücken schrammte an der Decke entlang, und als ich den Kopf des Toten am Bauch spürte, wusste ich, dass ich es fast geschafft hatte. Der Kopf schlüpfte zwischen meinen Beinen hindurch. Ich war frei.
    Der Gang führte nun abwärts, sodass ich schneller vorankam. Als das Seil um meine Taille nicht mehr nachgab, müsste ich es losbinden. Der Tunnel wurde breiter, und ich konnte im Licht der Kerze die Wände nicht mehr sehen. Also stand ich auf und zündete meine Pechfackel an der Kerze an. Als sie aufflammte, wurde mir klar, dass ich die Grabkammer erreicht hatte.
    Im Schein der Fackel erkannte ich eine lange, schmale Kammer mit weißer Decke und weißen Wänden. Ein Stück unterhalb der Decke wurden in Bilderschrift die Heldentaten des Königs geschildert, der hier begraben lag. Offene Tontöpfe enthielten

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