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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Bahn geraten. Andere meinten, er habe eine Schwäche für liederliche Frauenzimmer. Doch wie ich glaube, bestand seine Sünde allein darin, allen Menschen, auch Indios und Ausgestoßenen, ohne Ansehen der Person helfen zu wollen.
    Eine Bewegung rechts von mir lenkte mich ab. Der Bergwerkssklave war vom Pfosten geschnitten worden und sank stöhnend zu Boden. Der Mann, der ihn ausgepeitscht hatte, reinigte seine Peitsche in einem Eimer mit Salzwasser.
    Anschließend goss er das blutige Salzwasser auf den wunden Rücken des Gefangenen. Der Mestize heulte auf wie ein Hund, der vor Schmerzen den Verstand verloren hat. Dann zerrten ihn die Wachen auf die Füße und schleppten ihn zu einem Gefängniskarren.
    Als ich mich umdrehte, stand Bruder Antonio neben der Kutsche. Er und die alte Dame starrten mich an. Bruder Antonio schüttelte verneinend den Kopf. Vielleicht glaubte sie ja, dass ich sie bestohlen hatte. Rasch warf ich einen Blick auf die Mestizen im vergitterten Wagen. Ob der Alcalde wohl auch halbwüchsige Jungen in die Bergwerke schickte? Ich traute es ihm durchaus zu.
    Allerdings verwandelte sich meine Furcht bald in Wut. Ich hatte dieser Frau nichts getan! Zugegebenermaßen konnte ich mich nicht an jeden meiner Diebstähle auf der Straße erinnern das Leben war schließlich kein Zuckerschlecken, und jeder musste sehen, wo er blieb. Doch von dieser alten Hexe mit dem stechenden Blick hätte ich schön brav die Finger gelassen.
    Plötzlich eilte Bruder Antonio mir erschrocken entgegen, in seinen Augen breitete sich Furcht aus. Er zog ein Federmesser unter seiner Kutte hervor und stach sich in den Daumen. Hatte der Mönch den Verstand verloren?
    Dann drückte er mich an seine muffige Kutte. »Sprich nur Náhuatl«, zischte er. Sein Atem roch genauso übel wie sein Gewand.
    Er presste mir den blutigen Daumen mehrmals aufs Gesicht, sodass mehrere Abdrücke zurückblieben.
    »Was…«
    »Nicht anfassen!« Seine angespannte Stimme spiegelte seinen Gesichtsausdruck wider.
    Er zog mir den Strohhut in die Stirn, um mein Gesicht zu verbergen, packte mich am Kragen und schleppte mich zu der alten Frau hinüber.
    »Wie ich Euch sagte, Doña, er ist es nicht; es ist ein anderer Straßenjunge. Seht, er hat die Pest!«, meinte er und schob mir den Hut zurück, bis die roten Flecken auf meinem Gesicht zum Vorschein kamen.
    Die alte Frau wich erschrocken zurück. »Fahr los!«, rief sie dem Kutscher zu.
    Während der mit der Peitsche knallte, schlug sie die Fensterläden der Kutsche zu.
    Als diese holpernd über das Kopfsteinpflaster entschwand, atmete Bruder Antonio erleichtert auf. »Gott sei Dank«, murmelte er und bekreuzigte sich.
    »Was ist, Bruder? Warum wolltest du, dass ich wie ein Pestkranker aussehe?« Ich wischte mir mit beiden Händen das Gesicht ab.
    »Das ist ein alter Trick, den Nonnen anwenden, um sich bei einem Angriff auf ihr Kloster vor einer Vergewaltigung zu schützen.« Immer noch verängstigt befingerte er seinen Rosenkranz, wobei er blutige Spuren auf den Perlen hinterließ.
    Ich starrte den Bruder entgeistert an und wollte etwas erwidern, aber er unterbrach mich mit einer Handbewegung. »Frag mich nichts, was ich dir nicht erklären kann. Aber vergiss nicht, mein Junge, wenn ein Sporenträger dich anspricht, antworte auf Náhuatl und gib nie zu, dass du ein Mestize bist.«
    Ich war nicht sicher, ob ich als Indio durchgehen würde, denn ich war nicht dunkelhäutig genug. Außerdem war ich bereits so groß wie die meisten erwachsenen Indios, weshalb man mich wohl eher für einen Spanier gehalten hätte.
    Doch mein Widerspruch wurde vom Tumult hinter mir übertönt.
    Der Geier kreischte, als ein lachender Straßenjunge mit einem Stock nach ihm schlug. Der Junge stieß dem Vogel den Stock in die Brust.

3
    Damals beschränkte sich meine Lebenserfahrung auf die Straßen von Veracruz und Bruder Antonios Bücher. Das heißt jedoch nicht, dass es mir an Klugheit oder Neugier gefehlt hätte. Meine Gerissenheit als Bettler war berüchtigt. Ich hatte auf den Straßen zwar viel Konkurrenz, doch kaum einer war so erfindungsreich wie ich.
    Eines Tages im darauf folgenden Jahr hatte ich Posten im Eingang eines geschlossenen Ladens, zwei Straßen entfernt vom Hafen, bezogen. Eigentlich handelte es sich um einen guten Platz, denn die Schatzflotte wurde erwartet, und Hunderte von Schaulustigen machten sich auf den Weg zum Hafen, wo die Schiffe, beladen mit Waren aus dem spanischen Mutterland, anlegten, ihre Ladung

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