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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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hochwohlgeborene Señoritas mit Höflichkeit. Und da eine vom morgendlichen Regen zurückgebliebene Pfütze ihr den Weg versperrte, fühlte ich mich verpflichtet, mich albern und ritterlich zu gebärden. Ich löste die Indiodecke, die ich über der rechten Schulter trug, und eilte auf sie zu.
    »Señorita! Bernaldo de Carpio, Ritter von Kastilien, grüßt Euch.«
    Bernaldo war ein spanischer Held, der nach Auffassung der Spanier nur von El Cid übertroffen wurde. Er hatte den französischen Helden Roland in der Schlacht von Roncesvalles bezwungen und die Halbinsel gerettet.
    Das Mädchen riss erschrocken die Augen auf, als ich auf sie zugestürmt kam. Ich warf meine Decke wie einen Umhang über die Pfütze, verbeugte mich tief und bedeutete ihr, darauf zu treten.
    Sie stand da wie angewurzelt, und ihre Wangen röteten sich. Ich glaubte schon, sie würde mir befehlen, ihr aus den Augen zu gehen. Doch dann bemerkte ich, dass sie ein Grinsen unterdrückte.
    Ein junger Spanier war hinter ihr aus dem Laden gekommen, er war ein oder zwei Jahre jünger als ich, aber schon genauso groß und außerdem kräftiger. Er hatte eine dunkle, von Pockennarben gezeichnete Haut und schien übler Laune zu sein. Offenbar war er gerade ausgeritten, denn er trug eine graue Reithose, ein rotes Wams über einem Leinenhemd und kniehohe, schwarze Reitstiefel mit gefährlich spitzen Sporen. Dazu hatte er eine Reitpeitsche bei sich.
    Als die Peitsche meine linke Wange traf, war ich wie vom Donner gerührt.
    »Verschwinde, du dreckiges Schwein.«
    Ich kauerte auf den Fersen. Wut ergriff mich. Doch wenn ich ihn schlug, würde man mich an den Pfahl binden, bis zur Bewusstlosigkeit durchprügeln und mich dann in den sicheren Tod in die Bergwerke schicken. Einen Sporenträger anzugreifen galt als das schwerste aller Verbrechen. Aber das war mir gleichgültig. Als er wieder die Peitsche hob, ballte ich die Fäuste und ging auf ihn los.
    Das Mädchen stellte sich zwischen uns. »Hör auf! Lass ihn in Ruhe.«
    Dann drehte sie sich zu mir um, nahm eine Münze aus der Tasche und reichte sie mir. »Nimm das. Geh.«
    Ich hob meine Decke aus der Pfütze auf, warf die Münze in das schlammige Wasser und stolzierte davon.
    Hochmut kommt vor dem Fall; und wie das Lächeln einer Frau sollte auch der Hochmut mir immer wieder zum Verhängnis werden.

4
    Kanonensalut vom anderen Ende der Bucht verkündete, dass der Erzbischof im Begriff war an Land zu gehen. Ich ließ mich in der jubelnden Menge zum Hafen treiben. Die Flotte hatte Spanien vor sechs Wochen verlassen; einundvierzig Schiffe waren von Sevilla aus in See gestochen. Sechzehn davon waren für Veracruz bestimmt, während die übrigen andere Häfen in der Karibik auf Kuba, Puerto Rico, Hispaniola und Jamaika ansteuerten.
    Seit Wochen schon türmten sich am Ufer Warenberge, die auf die Schiffe verladen werden sollten.
    Als ich das Ufer erreichte, sah ich, dass die Schiffe bei San Juan de Ulúa vor Anker gingen, einer Inselfestung weniger als einen Musketenschuss von der Stadt entfernt. Gerade wurden die Passagiere in Langbooten zum Ufer gebracht. Nachdem sie aus den Booten geklettert waren, fielen sie betend auf die Knie, und viele von ihnen küssten den Boden. Einige Priester brachen weinend zusammen, nicht weil sie das raue Meer überlebt hatten, sondern weil sie glaubten, auf heiliger Erde gelandet zu sein. In ihren Augen war Veracruz tatsächlich die Stadt des wahren Kreuzes, die sie in einem Land willkommen hieß, in dem die heilige Kirche Millionen von Heiden bekehrt hatte.
    Zur Feier der Ankunft des Erzbischofs waren im Morgengrauen zweitausend Rinder durch die Stadt getrieben worden, sodass das Donnern ihrer Hufe uns fast aus den Betten geworfen hätte. In den Straßen stank es noch immer wie in einem Kuhstall. Offenbar wurde damit ein medizinischer Zweck verfolgt, denn die Kirchenväter hingen der Überzeugung an, dass der Atem von Rindern die Luft von Pestilenz reinigte insbesondere von den Pestdämpfen, die aus den Sümpfen in unsere Stadt zogen. Als ich Bruder Antonio nach der heilsamen Wirkung keuchender Rinder fragte, knurrte er nur: »Die Wege des Herrn sind unergründlich.«
    Eine Gruppe, die an Land kam, war nicht wie Geistliche, sondern wie Diener gekleidet. Es handelte sich um zwei Männer, einen Zwerg und zwei Frauen, und sie verbreiteten eine Fröhlichkeit, die unseren Dienstboten fehlte.
    Anscheinend sind die Herrschaften in Spanien sehr nachsichtig, dachte ich. Unsere Sporenträger

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