Das Blut der Azteken
schützen.
»Seit der Eroberung ist es alle zehn Jahre zu sintflutartigen Regenfällen und einer Überschwemmung der Stadt gekommen«, sagte der Don. »Vor einiger Zeit, in einem außergewöhnlich regnerischen Jahr, stand der Großteil des Tals unter Wasser, und die Stadt wäre beinahe aufgegeben worden. Nur die Kosten des dann nötigen Wiederaufbaus verhinderten, dass Mexiko auf ein höheres Gelände verlegt wurde.«
Schon seit einer Weile spielte man mit dem Gedanken, einen Tunnel durch die Berge zu treiben, um das Regenwasser abzuleiten. Da Don Julio für seine Baukünste bekannt war, hatte man ihn mit der Planung beauftragt.
»Und hat man sich an die Pläne gehalten?«, fragte Mateo.
»Größe und Lage des Kanals und des Tunnels entsprachen meinen Vorgaben. Doch statt den Tunnel durch mit Eisen verstärkte Balken zu stützen und ihn mit gebrannten Ziegeln auszumauern, bestanden die Wände nur aus Lehmziegeln, ähnlich denen, aus denen man Häuser baut.« Bedrückt verzog Don Julio das Gesicht. »Wir kannten die Beschaffenheit des Berges nicht, der, wie sich herausstellte, zu Einstürzen neigt. Ich war zwar nicht an den Bauarbeiten beteiligt, habe aber erfahren, dass viele Indios beim Graben des Tunnels ihr Leben verloren haben. Ihre erstickten Schreie werden mich verfolgen, wenn ich wegen meiner Mitschuld an der Katastrophe in der Hölle brenne.
Wie ihr wisst, hat es in diesem Jahr viel geregnet, zwar weniger als in der Vergangenheit, doch mehr als gewöhnlich. Es hat kleinere Überschwemmungen gegeben.«
Mir fiel ein Stein vom Herzen. »Kleinere Überschwemmungen! Dann ist die Lage doch nicht so ernst, wie wir dachten.«
»Es kommt aber noch schlimmer. Wegen der Einstürze vermochte der Tunnel das Wasser nicht abzuleiten, das die übliche Menge nur knapp überstieg. Schon ein heftiges Gewitter könnte dazu führen, dass die ganze Stadt überflutet wird.«
»Was sollen wir tun?«, fragte Mateo.
»Ich arbeite noch daran. Ein großer Trupp Indios ist schon damit beschäftigt, den Schutt, den die Einstürze verursacht haben, wegzuschaffen und die beschädigten Stellen mit gebrannten Ziegeln und Balken zu flicken. Doch immer wenn wir eine Schwachstelle beseitigt haben, entsteht ein paar Meter weiter die nächste.«
»Wie können wir Euch helfen?«, erkundigte sich Mateo.
»Im Augenblick gar nicht. Ich muss mehr darüber erfahren, wie genau der Tunnel gebaut wurde, und ihr werdet mir bei den Untersuchungen helfen. Es wird Monate dauern, bis ich mehr weiß. Und selbst dann komme ich vielleicht nicht dahinter, wo der Fehler liegt. Falls meine Vermutung zutrifft, brauche ich eure Unterstützung. Außerdem habe ich vom Indischen Rat den Auftrag erhalten, einen möglichen Aufstand gegen die Herrschaft Seiner Majestät aufzudecken.
Der Vizekönig hat sich an den Rat gewandt, da ihm Gerüchte zu Ohren gekommen sind, Afrikaner, Sklaven, Mulatten und ihresgleichen hätten sich verschworen, um alle Spanier zu töten und einen Mann aus ihren Reihen auf den Thron von Neuspanien zu setzen.«
Mateo schnaubte höhnisch. »Dieses Gerede höre ich schon seit meiner Ankunft in Neuspanien. Wir Spanier fürchten uns nur von den Afrikanern, weil sie in der Überzahl sind.«
Don Julio schüttelte den Kopf. »Ihr dürft so einen Aufstand nicht auf die leichte Schulter nehmen. In der Vergangenheit ist es häufig vorgekommen, dass Afrikaner sich gegen ihre Herren erhoben, die Plantagen niedergebrannt und die Besitzer ermordet haben. Wenn die Sklaven einer Plantage rebellierten, schlossen sich häufig die von der Nachbarhacienda an. Zum Glück wurden die Aufstände stets niedergeschlagen, gewaltsam und in einem frühen Stadium, bevor sich weitere Afrikaner mit den Rebellen verbünden konnten. Einer der Gründe ist, dass sie nie einen Anführer hatten, dem es gelungen wäre, sie zu einem disziplinierten Heer zusammenzufassen. Vielleicht aber gibt es inzwischen einen solchen Mann. Seine Fähigkeiten könnten sich unter den Schwarzen wie ein Lauffeuer herumsprechen, bis sie ihn wie einen Gott verehren.«
»Yanga!«, sagte Mateo.
»Yanga!« Fast wäre ich vom Stuhl aufgesprungen.
»Was ist los, Cristo? Warum erschreckt dich dieser Name so.«
»Tja… Ich habe von einem Sklaven namens Yanga gehört, der geflohen ist. Aber das war vor vielen Jahren.«
»Dieser Yanga ist ein entlaufener Sklave. Ich glaube, er stammt aus der Gegend von Veracruz. Allerdings könnte Yanga bei den Afrikanern ein verbreiteter Name sein. Du hast so lange
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