Das Blut der Azteken
Freund ge gen die Leute des Vizekönigs zu verteidigen.«
Gerade dachte ich über dieses merkwürdige und praktische Rechtssystem nach, als plötzlich ein Reiter auf mich zupreschte und mir so fest auf den Rücken schlug, dass ich fast vom Pferd gefallen wäre.
»Mateo!«
»Es wird langsam Zeit, dass du kommst, Cristóbal.« Unter vier Augen nannte er mich nur Bastardo, doch Joaquín war in Hörweite. »Ich habe viel erlebt und muss dir eine Menge erzählen. Die letzten drei Nächte habe ich in einer Kirche verbracht. Schließ aber bloß nicht daraus, dass ich Priester werden will.«
»Ich habe eher den Verdacht, dass du den Männern des Vizekönigs einen Schritt voraus warst. Was ist passiert? Wieder eine Frau?« Ich wies auf einen kleinen, aber tiefen Schnitt an seinem Hals.
»Ahhh.« Er berührte die noch offene Wunde. »Das war Julia. Für einen Augenblick in ihren Armen wurde hier auf der Alameda ein Dolch nach mir geworfen. Der feige Kerl glaubte, er könne seine Lebenserwartung um ein paar Momente erhöhen, indem er mich verwundete.«
»Und Don Julio? Doña Isabella? Sind sie wohlauf?«
»Wir haben vieles zu bereden, junger Freund. Der Don erwartet dich schon dringend. Es gibt eine Menge zu tun.« Wieder klopfte er mir auf den Rücken, sodass mir die Luft wegblieb.
Mir fiel auf, dass er ein anderes Pferd ritt als bei seinem Aufbruch von der Hacienda. Es war ein edler Rotfuchs. Sofort beneidete ich ihn um dieses schöne Tier. Wenn ich über die Alameda reiten wollte, würde ich auch so eines brauchen.
»Stammt dieses wunderbare Pferd aus dem Stall des Don?«
»Nein, ich habe es von meinem Gewinn beim Kartenspielen gekauft. Ich habe zwar den doppelten Preis bezahlt, aber das ist es wert. Sein Stammbaum reicht bis zum berühmten Rotfuchs eines Eroberers zurück. Ach, mein junger Freund, nicht einmal eine Frau kann den Stolz eines Mannes so beflügeln wie ein Pferd.«
Die Hälfte aller Pferde in Neuspanien stammten angeblich von einem der vierzehn Pferde der Eroberer ab, vor denen sich die Indios damals so erschrocken hatten. Allerdings erhoben die meisten der Gäule diesen Anspruch ebenso zu Unrecht wie ein Maultiertreiber, der zu Geld gekommen war und sich jetzt mit Don ansprechen ließ.
Ich schnalzte mit der Zunge. »Amigo, du bist betrogen worden. Hast du vergessen, dass unter Cortés' Pferden gar kein Rotfuchs war?«
Er sah mich an, und seine Miene verfinsterte sich derart, dass mir die Angst bis in die Sporen kroch.
»Der Schweinehund, der mir das Pferd verkauft hat, wird noch vor Sonnenuntergang sterben!«
Als er sein Pferd antrieb, rief ich ihm hastig nach: »Bleib stehen! Das war nur ein Scherz!«
12
Don Julios Stadthaus war zwar kein Palast, aber dennoch prächtiger als das Haupthaus der Hacienda. Wie die meisten Villen in der Stadt verfügte es über einen Garten mit bunten Blumen, Brunnen und mit Kletterpflanzen bewachsene Wandelgänge, wo selbst dann kühlende Schatten fielen, wenn die Sonne hoch am Himmel stand. Außerdem gab es einen großen Stall für Kutschen und Pferde, und natürlich verfügte das Haus auch über eine breite, geschwungene Treppe.
Ein Diener zeigte mir mein Zimmer, das über dem Stall lag, stickig war und nach Dung stank. Mateo grinste. »Mein Zimmer ist gleich daneben. Doña Isabella will uns offenbar damit zeigen, wo wir hingehören.«
Don Julio erwartete uns in der Bibliothek, wo er den Dienern Anweisungen gab, wie seine Bücher auszupacken und aufzustellen seien. Wir folgten ihm in einen Salon. Er blieb stehen, während er mit uns sprach.
»Durch die starken Regenfälle sind Teile der Stadt überflutet worden; Abschnitte des Tunnels sind streckenweise eingestürzt und haben ihn verstopft, denn ein Tunnel lässt wie ein Stück Rohr nur so viel Wasser durch wie an der engsten Stelle.«
Eher mir zuliebe als wegen Mateo, der bereits in die Zusammenhänge eingeweiht war, erklärte er alles über den Tunnel.
Die Stadt befindet sich auf einem See, oder besser gesagt einer Kette von fünf miteinander verbundenen Seen, und zwar auf einer auf zweitausendfünfhundert Meter gelegenen Hochebene inmitten eines großen Tals, umgeben von hohen Bergen. Tenochtitlán wurde ursprünglich auf einer sumpfigen Insel erbaut und breitete sich durch die schwimmenden Gärten immer mehr im flachen Wasser aus. Da die Stadt so tief unter dem Wasserspiegel liegt, entwickelten die Azteken ein kunstvolles System aus Kanälen und Dämmen, um sie vor Überschwemmungen zu
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