Das Blut der Azteken
nur als Sporenträger ausgegeben hatte. Eigentlich sei ich ein Mestize und werde wegen Mordes an zwei Spaniern gesucht. In diesem Fall hätte man mich jedoch genauso gehängt und meinen Kopf am Stadttor zur Schau gestellt.
Tlaloc, der Regengott, wollte die Stadt ertränken. Und Don Julio mit seinen hochfliegenden Plänen, Mexiko durch einen Tunnel zu retten, war ihm dabei in die Quere gekommen.
Ich war merkwürdig ruhig. Obwohl ich natürlich tief im Herzen Furcht verspürte, galten meine Gedanken hauptsächlich Don Julio und seiner Familie, der reizenden, zarten Juana und der überängstlichen Inez. Die arme Inez. Ihr ganzes Leben lang hatte sie eine schreckliche Katastrophe erwartet, und nun war sie da, hatte einfach mitten in der Nacht an ihre Tür geklopft.
Um Isabella machte ich mir keine Sorgen. Ich war sicher, dass es ihr gelingen würde, der Inquisition zu entrinnen. Vielleicht würde sie sogar eine Belohnung bekommen, weil sie Don Julio verraten hatte. Wegen ihrer freundschaftlichen Beziehung zu Alva hatte sie gewiss schon ihre Aussage vor der Inquisition gemacht. Dazu bedurfte es keines aztekischen Hellsehers. Wenn es ihr etwas nützte, würde sie ohne weiteres behaupten, dass wir alle Teufelsanbeter waren, die sich am Fleisch von Christen labten.
Die Kutsche holperte über das Kopfsteinpflaster, der Regen prasselte auf das Dach. Ich wurde auf meinem Sitz hin und her geschleudert und stellte dabei immer weiter Fragen, in der Hoffnung, etwas über das Schicksal des Don zu erfahren. Das Schweigen, das mir entgegenschlug, war kein Zeichen von Ahnungslosigkeit, sondern diente dem Versuch, mich einzuschüchtern. Jede unbeant wortete Frage führte zu weiteren und steigerte die Angst des Gefangenen, und genau darin lag die Absicht des Verhörs. Bruder Antonio hatte mir seine eigenen Erfahrungen mit der Inquisition geschildert und mir auch von diesem Schweigen erzählt. Doch es ist immer ein Unterschied, wenn man etwas selbst erlebt.
Am liebsten hätte ich den Männern neben mir gesagt, wie sehr ich sie verachtete. Die geheime Armee des grünen Kreuzes. Die Bluthunde der Inquisition. Schwarz gekleidete Schergen, die die Menschen mitten in der Nacht aus ihren Betten zerrten und sie an einen Ort verschleppten, an dem sie vielleicht nie wieder die Sonne sahen. Ich fragte mich, ob ›Don‹ Jorge auch dabei war. Wenn er mich als den Verleger verbotener Bücher wieder erkannte, würden sie mich zweimal auf dem Scheiterhaufen verbrennen.
Als der sintflutartige Regen nachließ, hörte ich nur noch den schweren Atem eines der Männer neben mir und das Zischen des Wassers unter den Rädern der Kutsche. Schließlich veränderte sich das Geräusch der Wagenräder, und ich wusste, dass wir den Hauptplatz erreicht hatten. Es war nicht mehr weit bis zum Kerker der Inquisition.
Die Kutsche hielt an, und die Tür öffnete sich. Der Mann rechts von mir stieg aus und zerrte mich mit sich. Als ich einen vorsichtigen Schritt machte, versetzte er mir einen Stoß, sodass ich ins Stolpern geriet. Ich kippte zur Seite, stürzte und prallte mir der linken Schulter aufs Straßenpflaster.
Ich wurde wortlos aufgehoben und durch einen Torbogen geschoben. Auf einmal verlor ich den Boden unter den Füßen, sodass ich taumelte und gegen eine Wand schlug. Wieder griffen Hände nach mir und richteten mich auf. Ich befand mich offenbar auf einer Treppe, die ich - begleitet von weiterem Stolpern und von Stürzen - hinunterstieg.
Unten angekommen wurde ich zu einem Holzrahmen geführt. Meine Hände wurden losgebunden, und man zog mir Wams und Hemd aus, sodass mein Oberkörper nackt war. Dann nahm man mir die Kapuze ab. Ich stand in einem düsteren, dämmrigen Raum, in dem oben in den Ecken zwei Kerzen brannten. Der Holzrahmen, an den ich nun gefesselt wurde, war ein berüchtigtes Instrument, das man Folterbank nannte.
Die Steinmauern glänzten feucht. Wasser ergoss sich in Strömen auf den Boden und ließ die Stimmung in diesem Kerker noch beklemmender erscheinen. Selbst bei gewöhnlichen Witterungsbedingungen stand der Wasserspiegel in der Stadt so hoch, dass die Gräber voll liefen, noch ehe sie zugeschüttet werden konnten. Doch eigenartigerweise war dieser Kerker von Überflutung verschont geblieben. Zweifellos verfügte die Inquisition über die nötigen Mittel, um den Raum gegen das Wasser abzuschotten. Wahrscheinlich behauptete sie sogar, Gott selbst habe eine Überschwemmung verhindert, damit sie ihre Arbeit tun konnte.
Nachdem ich
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