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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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riefen. Manche schluchzten, sie müssten sterben, oder flehten um Gnade. Doch nichts wies darauf hin, dass unter der dunklen Kutte ein menschliches Wesen steckte.
    Am vierten Tag meiner Gefangenschaft klopfte es wieder an meine Tür, obwohl ich meinen Morgenbrei gerade erst erhalten hatte. Ich watete zur Tür, deren Luke sich öffnete. Kerzenlicht drang herein. Es war zwar nicht sehr hell, doch meine an die Dunkelheit gewöhnten Augen fühlten sich an, als hätte jemand mit einer Nadel hineingestochen.
    »Kommt ans Licht, damit ich Euer Gesicht sehen kann«, sagte der Mann mit der Kerze.
    Ich gehorchte. Nach einer Weile wurde die Kerze weggenommen. Ich hörte das Scharren von Holz, als der Mann sich einen Schemel heranzog, damit er sich setzen und mit mir durch die Luke sprechen konnte. Eine menschliche Stimme. Ich war den Tränen nah, weil tatsächlich jemand mit mir redete. Nun würde ich erfahren, was mit dem Don und seiner Familie geschehen war und was man mir vorwarf.
    »Ich bin hier, damit Ihr mir Eure Sünden gegen Gott und seine Kirche gesteht«, begann der Mann. Seine Stimme klang tonlos wie die eines Priesters, der zum tausendsten Mal dasselbe Gebet rezitiert.
    »Ich habe nichts verbrochen. Wessen werde ich beschuldigt?«
    »Es ist mir nicht erlaubt, Euch die Anklagepunkte zu nennen.«
    »Wie soll ich dann gestehen? Wenn ich die Vorwürfe nicht kenne, weiß ich nicht, was ich sagen soll. Ich kann nur beichten, dass ich unreine Gedanken hatte, als ich eine Frau sah, oder dass ich in einem Gasthof weilte, obwohl ich eigentlich in der Messe hätte sein sollen.«
    »Das könnt Ihr im Beichtstuhl tun. Die Inquisition verlangt von Euch, dass Ihr Eure Verbrechen gesteht. Und Ihr kennt deren Natur.«
    »Ich habe nichts Unrechtes getan.« Ich stand im kalten Wasser und zitterte am ganzen Leibe, sodass meine Stimme bebte. Natürlich log ich. Ich hatte einiges auf dem Kerbholz, allerdings keine Verbrechen gegen Gott.
    »Euer Leugnen genügt uns nicht. Wenn Ihr nicht schuldig wärt, hätte man Euch nicht verhaftet und hergebracht. In diesem Haus gibt es nur Schuldige. Die Inquisition untersucht jeden Vorwurf gründlich, bevor sie jemanden festnimmt. Sie hat es nicht nötig, die Ketzer aufzuspüren, Gottes Hand liefert sie ihr aus.«
    »Ich wurde von Teufeln verschleppt, nicht von Engeln.«
    »Das ist Gotteslästerung. Hütet Eure Zunge, Ihr werdet die Gnade Gottes nicht finden, indem Ihr seine Diener schmäht. Und eines sollte Euch klar sein: Wenn Ihr Eure Verbrechen gegen Gott und seine Kirche nicht gesteht, wird man Euch einer Befragung unterziehen.«
    »Meint Ihr Folter?« Wut stieg in mir auf, denn mir wurde die Hoffnungslosigkeit meiner Lage klar. Wenn ich ein Verbrechen gegen die Kirche gestand, würde ich auf einem lodernden Scheiterhaufen enden. Weigerte ich mich, Taten zuzugeben, die ich nicht begangen hatte, würde man mich so lange foltern, bis ich gestand, was sie hören wollten.
    »Wie alle Männer, die geliebt, gelebt und gekämpft haben«, erwiderte ich, »habe ich mich möglicherweise hin und wieder versündigt. Doch es handelte sich nicht um Gotteslästerungen, und auch meine unsterbliche Seele wurde nicht dadurch gefährdet. Ich habe meine Sünden der Kirche gebeichtet, und mir wurde Absolution erteilt. Wenn es also um etwas anderes geht, müsst Ihr mir erklären, wessen ich angeklagt werde, damit ich Euch sagen kann, ob es der Wahrheit entspricht oder nicht.«
    »Das ist nicht die Form, in der die Inquisition ihre heiligen Werke tut. Ich bin nicht befugt, Euch die Anklagepunkte mitzuteilen. Aber Ihr macht es Euch leichter, wenn Ihr jetzt gesteht und Euch unserer Gnade überantwortet. Anderenfalls wird man die Wahrheit aus Euch herauspressen.«
    »Was sind unter Schmerzen erzwungene Worte schon wert? Wie kann die Kirche ihre Kinder so behandeln?«
    »Die Kirche fügt niemandem Schmerzen zu. Gottes Hand führt die Geräte. Und deshalb erzeugt das Gerät, nicht die heilige Hand der Kirche, den Schmerz. Wenn Blut vergossen und Leid zugefügt wird, ist es die Schuld des betreffenden Menschen, nicht die der Kirche. Die Folter dient nicht der Bestrafung, sondern dem Erlangen von Geständnissen.«
    »Und wie kann die Inquisition das rechtfertigen?«
    »Der heilige Dominik sagt, wenn Worte nichts nützen, helfen vielleicht Schläge.«
    Fast hätte ich laut aufgelacht und ihn aufgefordert, mir die Bibelstelle zu zeigen, in der Jesus der Gewalt das Wort redete, aber ich verkniff es mir.
    »Wer ist befugt, mir

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