Das Blut der Azteken
gefesselt worden war, wurde ich geknebelt. Aus dem Nebenraum hallten Kampfeslärm und Mateos Flüche hinüber. Als es plötzlich still wurde, nahm ich an, dass man ihn ebenfalls geknebelt hatte. Ich fragte mich, wie viele kleine Schreckenskammern es in diesem Höllenloch wohl noch gab.
Auf der anderen Seite des Raums berieten sich die familiares mit zwei Mönchen, die dunkle Kutten mit Kapuzen trugen. Ich konnte nicht genau verstehen, was sie sagten, aber wieder schnappte ich das Wort ›marrano‹ auf.
Die familiares gingen hinaus, und die Geistlichen kamen langsam näher. Sie schienen keinen Grund zur Eile zu sehen. Ich fühlte mich wie ein Lamm auf der Schlachtbank.
Dicht vor mir blieben sie stehen. Sie hatten die Kapuzen zwar tief in die Stirn gezogen, doch ich konnte einen Teil ihrer Gesichter erkennen. Einer lockerte meinen Knebel ein wenig, damit ich sprechen konnte.
»Seid Ihr ein Jude?«, fragte er. Seine Stimme klang so sanft und väterlich, als erkundige er sich bei einem Kind, ob es auch artig gewesen sei.
»Ich bin ein guter Christ«, stammelte ich, überrascht über seinen freundlichen Ton.
»Wir werden sehen«, murmelte er. »Wir werden sehen.«
Sie begannen, mir Stiefel und Hose auszuziehen.
»Was soll das? Warum zieht Ihr mich aus?«
Schweigen war meine einzige Antwort. Ich wurde wieder geknebelt.
Nachdem ich nackt war, fesselte man mir die Beine an den Rahmen, und die beiden Geistlichen begannen, mich eingehend zu untersuchen. Einer stellte sich auf eine Bank, teilte mein Haar und nahm meine Kopfhaut in Augenschein. Langsam umrundeten sie meinen Körper und betrachteten jede Hautunebenheit, nicht nur die Narben, sondern auch die Muttermale und Flecken. Sie begutachteten die Form meiner Augen und sogar die wenigen Falten in meinem Gesicht. Dann fuhren sie sorgfältig meine Handlinien nach.
Sie suchten auf meiner Haut nach Malen des Teufels.
Ich fand ihr Treiben unglaublich albern. Als ich auflachen wollte, verschluckte ich mich an meinem Knebel. Es war entwürdigend, was diese Priester mit mir anstellten. Sie berührten meinen Körper, meine Haut, mein Haar und sogar mein Geschlechtsteil. Waren sie deshalb Priester geworden? Um den Teufel in einem Muttermal zu entdecken? Um Dämonen in Hautfalten zu sehen?
Als sie mein Geschlechtsteil begutachteten, war ich erleichtert, dass die Aztekengötter mir einen Teil der Vorhaut gestohlen hatten. Die Geistlichen verdächtigten mich als Juden. Und wenn ich nicht beschnitten gewesen wäre, hätten sie in ihrer verqueren Logik angenommen, Luzifer habe nach meiner Beschneidung die Vorhaut wieder hergestellt, damit ich mich als Christ ausgeben konnte.
Nachdem sie mit meiner Vorderseite fertig waren, drehten sie den Rahmen um und untersuchten mich von hinten. Glaubten sie etwa, dass der Teufel sich in meinem Arsch verkrochen hatte?
Sie befingerten mich wie zwei Metzger, die erörtern, wie man eine Rinderhälfte am besten zerlegt. Ob man Male des Teufels an mir gefunden hatte, teilte man mir jedoch nicht mit.
Ich bewegte so lange den Kiefer, bis der Knebel ein Stück herausrutschte und ich undeutlich sprechen konnte. Wieder fragte ich, weshalb ich festgehalten und wessen ich angeklagt wurde.
Doch die beiden Geistlichen schienen nichts zu hören als ihr eigenes Gemurmel und die Botschaften, die Gott ihnen offenbar zuflüsterte.
»Ist das Mädchen Juana auch verhaftet worden? Sie ist krank und sehr zart. Gott würde jeden bestrafen, der einem armen kranken Kind wie ihr Schaden zufügt«, drohte ich.
Als ich die Strafe Gottes erwähnte, blickte einer der Geistlichen auf und unterbrach seine Suche nach dem Teufel zwischen meinen Zehen. Sein Gesicht lag zwar im Schatten der Kapuze, doch für einen Moment trafen sich unsere Blicke. Seine Augen waren schwarz glühende Kohlebecken, dunkle Flammen in einem Loch ohne Boden. Es war ein brütender Hass, der mich herausforderte… nein, der mich aufsaugen wollte. In seinen Augen flackerte derselbe fanatische Wahnsinn wie in denen der Aztekenpriester, die Menschen bei lebendigem Leibe das Herz herausrissen.
Nachdem sie mit ihrer Untersuchung fertig waren, wurde ich losgebunden und durfte Hose und Hemd wieder anziehen. Ich wurde ein paar Stufen nach unten in einen in den Stein gehauenen Gang geführt, in dem hinter einer Reihe von Eisentüren mit kleinen Luken die Zellen lagen. Hier unten war mehr Wasser eingedrungen, sodass es mir bis zu den Knöcheln reichte. Als ich vorbeiging, drang Stöhnen durch die
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