Das Blut der Azteken
dem Boten gehalten. Doch da wir glaubten, dass er die Liste hier weitergeben würde, pirschten wir uns näher heran, um ihn im Auge zu behalten. Als er in ein Gasthaus unweit des Hauptplatzes ging, fo lgten wir ihm. Gerade nahmen wir die Satteltaschen von den Rücken unserer Pferde, als wir ein lautes, schrilles Lachen hörten. Die raue Stimme erschien uns vertraut.
Zwei Männer kamen plaudernd die Straße entlang. Der Größere der beiden, ein außergewöhnlich hässlicher, beleibter Zeitgenosse, trug ein Wams aus grellgelber Seide und Kniehosen. Die beiden betraten das Gasthaus.
Sie hatten uns nicht bemerkt. Mateo hatte sich geduckt und so getan, als wolle er den Sattelgurt überprüfen. Als er sich wieder aufrichtete, sahen wir einander an.
»Jetzt wissen wir, wer die Listen bekommt«, sagte er.
Sancho de Erauso, mit richtigem Namen Catalina de Erauso, das Mannweib, in dessen Auftrag ich einmal ein antikes Grab geschändet hatte, hatte sich offenbar darauf verlegt, das Silber des Königs zu rauben.
»Wenn wir in das Gasthaus gehen, erkennt sie uns«, meinte ich.
Mateo zuckte die Achseln. »Sie hat uns seit Jahren nicht gesehen. Inzwischen tragen wir beide Bärte, was in dieser kalten, trostlosen Stadt Mode ist. Also unterscheiden wir uns nicht von all den anderen Bergwerksbesitzern und Maultiertreibern.«
Ich hatte nur wenig Lust, das Schicksal herauszufordern und mich mit dieser Frau anzulegen, die sich als Mann ausgab, stark war wie ein Bulle und das Gemüt einer angriffslustigen Schlange besaß. »Ich finde, wir sollten draußen bleiben. Holen wir doch den Alcalde und lassen sie verhaften.«
»Mit welchen Beweisen? Dass sie vor vielen Jahren ein Grab ausgeraubt hat? Wir können nicht belegen, dass sie etwas mit den Überfällen auf die Silbertransporte zu tun hat. Schließlich
ist es nicht strafbar, im selben Gasthaus zu verkehren wie unser Bote. Wir müssen den Schlupfwinkel der Bande ausfindig machen, damit wir ihr das Handwerk legen können.«
Da ich nur die Wahl hatte, das Gasthaus zu betreten oder mich als Feigling beschimpfen zu lassen, folgte ich Mateo hinein. Wir setzten uns an einen Tisch in einer dunklen Ecke der Gaststube. Auf der anderen Seite des Raumes teilten Catalina und ihr Begleiter einen Tisch mit dem Boten. Obwohl wir beim Hereinkommen nicht auf sie achteten, hatte ich das Gefühl, dass Catalinas Blicke mich auf dem Weg zu unserem Tisch durchbohrten wie Musketenkugeln.
Mateo bestellte Brot, Fleisch, ein Stück Käse und einen Krug Wein.
Beim Essen beobachtete Mateo unsere Gegner aus dem Augenwinkel. »Er hat Catalina die Liste gegeben und von ihr einen Beutel bekommen. Wahrscheinlich ist Gold darin.«
»Was tun wir jetzt?«
»Noch gar nichts. Wenn Catalina geht, folgen wir ihr, um festzustellen, wem sie Meldung macht und wo sich ihre Bande versteckt.«
Kurz darauf verließ sie mit ihrem Begleiter den Raum, und auch wir brachen auf. Während die beiden sich zum Stall eines anderen Gasthauses aufmachten, kehrten wir zurück zu unseren Pferden. Sie nahmen die Straße nach Pánuco, einer Bergarbeiterstadt fünfzehn Kilometer im Norden, einem Gebiet, in dem die ertragreichsten Minen Neuspaniens lagen. Allerdings steuerten unsere Gegner kein Bergwerk an, sondern ein kleines Gasthaus. Neben dem Stall stand eine Kutsche. Diese war zwar weniger prächtig als die, in der ich in Veracruz gefahren war und die ich in Mexiko gesehen hatte - trug aber unverkennbar dasselbe Wappen. Es handelte sich um das Wahrzeichen der de la Cerdas, der adeligen Familie, der Luis entstammte. Er war der Sohn eines Marqués und der Enkel einer Alten, die mir aus unerklärlichen Gründen an den Kragen wollte. Und wenn die Gerüchte stimmten, würde er bald die Frau heiraten, die ich liebte.
Als Mateo meine finstere Miene bemerkte, erzählte ich ihm, wer der Besitzer der Kutsche war.
»Luis muss nicht unbedingt mit den Räubern im Bunde sein«, sagte Mateo.
»Ganz sicher ist er das. Und Ramón de Alva ebenfalls.«
»Hast du bei einer Hexe das Wahrsagen gelernt?«
»Nein, das Silber hat mir auf die Sprünge geholfen. Wie heißt der Mitarbeiter des Münzamtes, der die Liste an die Räuber weiterleitet?«
»Soto, genauso wie die Schwager von Alva. Allerdings ist das ein sehr häufiger Name.«
»Gewiss sind sie alle miteinander verwandt. Außerdem unterhält Luis' Familie ebenfalls geschäftliche Beziehungen zu Alva.«
»Alle Dons in Neuspanien arbeiten zusammen.«
Doch ich wusste in meinem Herzen, dass
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