Das Blut der Azteken
bereits wisst, Eléna…«
Ich hätte alles Gold der Christenheit dafür gegeben, wenn ich ihr hätte sagen können, dass ich Cristo el Bastardo war; dass ich sie liebte, seit ich sie vor fast zwölf Jahren zum ersten Mal auf einer Straße in Veracruz gesehen hatte. Doch ich war ›Don Carlos‹, ein junger Caballero, der sie auf eine Zuckerrohrplantage begleitete.
Unterwegs verlor ich erneut das Bewusstsein, und es dauerte einige Tage, bis ich wieder reisefähig war. Während dieser Zeit versorgte Eléna, unterstützt von der Frau des Verwalters, meine Wunde.
Nachdem sich meine erste Aufregung über das Wiedersehen gelegt hatte, wurde ich schweigsam und grüblerisch. Eléna glaubte, dass es an meinen Schmerzen lag, doch in Wirklichkeit hatte meine Trauer viel tiefer liegende Gründe. Ich war nach Neuspanien zurückgekehrt, um Vergeltung zu üben. Bis zu meiner Begegnung mit Eléna hatte ich keinen Gedanken daran verschwendet, dass meine Rache ihr schaden könnte. Und ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass diese Erkenntnis meinen Entschluss ins Wanken bringen würde.
Während der Tage, an denen Eléna mich pflegte, kamen wir uns immer näher. Zum Entsetzen der Frau des Verwalters bestand sie darauf, feuchte Kompressen auf meine Stirn und meine nackte Brust zu legen, als mich das Fieber im Griff hielt. Als ich geschwächt, aber bei Bewusstsein im Bett lag, setzte sie sich zu mir und las mir Gedichte vor. Das hätte eine gewöhnliche unverheiratete Frau aus guter Familie niemals getan.
Ich bemerkte, dass der Gattin des Verwalters unsere keimende Freundschaft aufgefallen war. Wenn der Vizekönig erfuhr, dass ich Eléna den Hof machte, würde er gar nicht erfreut sein. Anstatt mich als Helden zu feiern, würde er meine Vergangenheit gründlich unter die Lupe nehmen, und meine Lebensgeschichte würde dieser Überprüfung leider nicht standhalten. Außerdem durfte ich Luis nicht vergessen, dessen Eifersucht mein neues Leben ebenfalls gefährden konnte.
Nach einer Weile kam ich zu dem Schluss, dass meine Liebe zu Eléna nur in einer Tragödie für uns beide enden würde. Ich nahm mir vor, meine Freundschaft mit ihr zu beenden und die Verbindung zu ihr endgültig abzubrechen. Dass ich ein lépero und deshalb der geborene Lügner war, kam mir dabei gut zupass.
»Eléna«, sagte ich, als sie mir mein Abendessen brachte - eine Aufgabe, die sie nie einem Diener überlassen hätte. »Da ist etwas, das mein Gewissen belastet.«
»Was ist es, Carlos? Wollt Ihr etwa sagen, es gefällt Euch nicht, dass ich Euch jeden Abend Gedichte vorlese?«
»Kein Engel könnte schöner lesen als Ihr.« Ich erwähnte nicht, dass ich einige der Gedichte als ihre eigenen erkannt hatte. »Nein, es geht um etwas anderes. Dass ich dem Tod nur knapp entronnen war, erscheint mir wie ein schlechtes Omen. Und ich habe entschieden, dass ich es nicht länger hinausschieben darf.«
»Kann ich Euch helfen?«
»Ja, ich brauche Euren Rat. Soll ich meine Frau und meine Kinder sofort oder erst später nachholen?«
Ich wandte absichtlich den Blick ab, als ich die Lüge aussprach, denn ich wollte ihr nicht ins Gesicht sehen - und verhindern, dass sie meines sah.
Es gelang mir, den Rest meines Märchens herunterzuspulen, ich hätte meine Familie zurückgelassen, um in der Neuen Welt ein Vermögen zu machen. Allerdings vermisse ich sie bereits. Dann tat ich so, als schliefe ich ein, damit sie mir meine Trauer nicht anmerkte.
Am nächsten Tag kehrte sie mit der Kutsche nach Veracruz zurück. Wir hatten erfahren, dass die Piraten nach der Plünderung der Stadt abgezogen seien. Die Soldaten des Alcalde hätten alles wieder im Griff. Außerdem erklärte man uns, warum die Freibeuter die Stadt so mühelos hatten einnehmen können. Das Geld, das dem Alcalde für die Verteidigung der Stadt zugeteilt worden war, war unterschlagen worden. Als die Piraten angriffen, hatten den meisten Soldaten das Schwarzpulver und die Musketenkugeln gefehlt, um sich den Feinden entgegenzustellen. Dass der Kommandant der Festung die Schiffe nicht rechtzeitig bemerkt hatte und dass es den Piraten gelungen war, die Truppen zu übertölpeln, hatte zusätzlich zu der Katastrophe beigetragen.
»Der Alcalde und der Festungskommandant stehen beide unter Arrest«, teilte uns der Verwalter der Hacienda mit, bevor er mit Eléna nach Veracruz aufbrach.
Ich hatte vorgegeben, mehr Genesungszeit zu brauchen, um sie nicht begleiten zu müssen. Eléna sollte mit einer von Maultieren
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