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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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grausigen Träumen aus meiner bewegten Vergangenheit gequält.
    Als die Sonne gerade aufging, war ich noch immer im Griff der Aztekengötter und befand mich in den unergründlichen Tiefen des östlichen Ozeans. Ein grauer Lichtschein zeigte sich am Horizont, und ich hörte Fußgetrappel auf dem kopfsteingepflasterten Platz. Im ersten Moment glaubte ich, von der Nacht in Mexiko-Stadt zu träumen, als die Leute eine durchgegangene Schweineherde für eine Sklavenrevolte gehalten hatten.
    Der Knall von Musketenschüssen hallte von den Mauern der umliegenden Häuser wider. Ich griff nach Schwert und Dolch und stürzte zum Fenster.
    Schwarzpulverdampf stieg aus den Musketen auf, und Schwerter blitzten im dämmrigen Morgenlicht. Eine große Menge dunkler Gestalten griff den Palast des Alcalde an.
    War ein Krieg ausgebrochen? fragte ich mich. Doch dann wurde mir klar, dass es sich wahrscheinlich nicht um einen Krieg, sondern um einen Angriff der Piraten handelte, die gekommen waren, um zu plündern und zu vergewaltigen, wie sie es schon in Dutzenden von Städten in der Karibik und an der Küste unseres Landes getan hatten.
    Während einige Piraten den Palast stürmten, drangen andere in die Häuser ein. Ich verrammelte die Tür und schob einen Stuhl unter die Klinke. Entschlossene Angreifer konnte das zwar nicht aufhalten, doch ich würde so zumindest Zeit gewinnen. Nachdem ich mir die Geldbörse an einer Kordel um den Hals gehängt hatte, kleidete ich mich rasch an und steckte mir einen Dolch an den Gürtel. Einen zweiten verbarg ich in meinem Stiefel. Dann packte ich mein Schwert und stieg aus dem Fenster auf ein einige Meter breites Sims. Da sich mein Zimmer im obersten Stockwerk befand, war es möglich, von dort aus auf das Dach zu klettern.
    Auf dem Dach konnte ich die Stadt gut überblicken. Allmählich wurde es hell, und ich erkannte, dass Veracruz von zwei- bis dreihundert Mann angegriffen wurde. Die Männer, die statt einer Uniform bunte Piratentracht trugen, brachen in kleinen Gruppen in Häuser ein, während eine größere Horde den Palast des Alcalde stürmte. Seine Wachen setzten sich nur der Form halber zur Wehr und feuerten ein paar Mal ihre Musketen ab, bevor sie die Flucht ergriffen.
    Die Festung war nur wenige Meter von der Küste entfernt. Ich sah Männer auf den Mauern, doch keine Boote mit Soldaten legten an. Offenbar hatten die Korsaren sie bereits unschädlich gemacht.
    Gebrüll, Schreie und Schüsse hallten durch die Morgenluft. Während ich mich auf dem Dach versteckte, flüchteten die Menschen sich in die verme intlich sichere Kirche, da sie nicht ahnten, dass sich die Piraten um das Kirchenasyl nicht scheren würden. Andere versuchten, in Kutschen oder zu Pferde zu fliehen. Doch die meisten wurden von den Freibeutern vom Pferd geschossen oder unter viel Geschrei aus den Fahrzeugen gezerrt.
    Ich bemerkte eine Kutsche, die in Höchstgeschwindigkeit aus einem der wohlhabenderen Viertel auf den Platz gerast kam und eilig auf den Palast des Alcalde zuhielt. Die Kutsche schleuderte um eine Kurve, sodass sie beinahe umgestürzt wäre. Der Indio, der die Zügel hielt, wurde vom Bock geworfen. Als die Pferde die Schüsse hörten, gerieten sie in Panik und galoppierten mitten auf den Platz; die Wagenräder rumpelten über das Kopfsteinpflaster.
    In einem der Kutschenfenster erkannte ich ein bleiches, verängstigtes Gesicht.
    »Eléna!«, schrie ich aus voller Kehle.
    Ein Pirat stellte sich den wild dahinpreschenden Pferden in den Weg und feuerte einen Schuss ab. Die erschrockenen Pferde bäumten sich auf und wollten die Flucht ergreifen, doch andere Freibeuter packten die Zügel.
    Ich sprang vom Dach auf die Abdeckung der Arkade und von dort aus auf den Boden.
    Vier Piraten zerrten Eléna aus der Kutsche und rissen ihr die Kleider vom Leibe. Sie schrie, kratzte, biss und überhäufte sie mit üblen Beschimpfungen.
    Im Laufen warf ich meinen Dolch, der im Rücken eines der Freibeuter stecken blieb. Als der Mann neben ihm sich umwandte, stieß ich ihm mein Schwert in die Kehle, riss es heraus und parierte den Angriff seines Kumpanen. Dann wechselte ich die Hände, sodass ich das Schwert links und den Dolch rechts hielt, und griff den Mann an. Nachdem ich ihn mit einen Stoß, der seinem Gesicht galt, abgelenkt hatte, spießte ich ihn auf.
    Eine Klinge traf meinen linken Arm. Mit einem Schmerzensschrei ließ ich das Schwert fallen. Der letzte Überlebende hatte mir den Oberarm bis auf den Knochen aufgeschlitzt.

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