Das Blut der Azteken
zwar zu rechnen, doch im vergangenen Jahr war das Wetter nicht weiter außergewöhnlich gewesen.
Warum die Preise explodierten, obwohl Angebot und Nachfrage gleich geblieben waren, gab mir Rätsel auf.
Bei meinen Nachforschungen fand ich heraus, dass eigentlich der Vizekönig die Preise für den Mais festsetzte, der diese Aufgabe jedoch an einen seiner Höflinge übertrug. Mittelsmänner kauften den Bauern den Mais ab und veräußerten ihn wiederum an vom Vertreter des Vizekönigs lizenzierte Lagerhäuser. Diese gaben die für den Verbrauch notwendigen Mengen heraus, und zwar zu einem Preis, den der Vertreter des Vizekönigs bestimmte. Je größer die Nachfrage war, desto mehr mussten die Mittelsmänner, die Betreiber von Lagerhäusern und das Volk an die Hersteller bezahlen.
Auf den ersten Blick sah das recht vernünftig aus.
Weshalb jedoch waren dann in einem Jahr, in dem kein geringeres Angebot herrschte und in dem sich auch die Nachfrage nicht verändert hatte, die Preise trotzdem in die Höhe geschnellt? Bald erfuhr ich, dass der Mann, der dafür verantwortlich war, Miguel de Soto hieß er war der hiesige Beauftragte des Vizekönigs.
Offenbar kannte die menschliche Habgier keine Grenzen. Diese Teufel stahlen nicht nur Silber und unterschlugen für den Tunnelbau bestimmte Gelder, woraufhin beinahe die gesamte Stadt überschwemmt worden wäre. Nein, sie plünderten auch noch die Nahrungsmittelvorräte der Stadt. Was mich am meisten verärgerte, war nicht, dass sie die Lebensmittelversorgung fest im Griff hatten und durch ihre unverschämten Preise schon bald eine große Hungersnot auslösen würden, sondern dass danach sicher wieder ein Sündenbock würde herhalten müssen. Wer würde diesmal anstelle von Don Julio, seiner Schwester und seiner Nichte auf dem Scheiterhaufen brennen?
Ob sich die Verbrecher wohl wieder einen konvertierten Juden suchen würden?
Nachdem ich mir die Sache eine Weile hatte durch den Kopf gehen lassen, stellte ich einen zwölfjährigen lépero namens Jaime ein. Léperos waren zwar in allen Altersgruppen unzuverlässig, doch man konnte mit weniger Abgebrühtheit rechnen, je jünger sie waren. Jaime erhielt von mir den Auftrag, sich vor Sotos Ladengeschäft am Hauptplatz herumzutreiben.
Anschließend schickte ich Soto einen Brief, in dem ich ihm mitteilte, einer seiner Freunde in Spanien habe ihn mir empfohlen. Außerdem erwähnte ich Elénas Namen und schrieb, ich hätte ihn eigentlich schon früher aufsuchen wollen, sei aber in Veracruz aufgehalten worden, da ich der Nichte des Vizekönigs ›beigestanden‹ hätte. Er verabredete sich noch am gleichen Nachmittag mit mir.
Soto war ein gedrungener Mann von etwa vierzig Jahren, mit einem vom Müßiggang und vom guten Essen bis zum Bersten aufgedunsenen Wanst.
»Es ist mir eine Freude, Euch kennen zu lernen, Don Carlos«, begrüßte er mich. »Alles spricht davon, dass Ihr Eléna in Veracruz gerettet habt. Man nennt Euch den Helden von Veracruz und erwähnt Euch in einem Atemzug mit Cortés.«
Ich murmelte eine bescheidene Erwiderung. Wir setzten uns in seinem Kontor an einen Tisch. Während seine Schreiber mit Papieren raschelten, bot er mir Wein an.
»Ihr sagtet, ein Freund in Spanien habe mich empfohlen?«
»Ja, eigentlich ist es eine Freundin, der ich in Sevilla begegnet bin.«
»Ah, eine Frau. Hoffentlich keine, gegen die meine Gattin etwas einzuwenden hätte.« Er lachte auf.
»Ich bezweifle, dass sie Eure Gattin eifersüchtig machen würde. Denn es handelt sich selbstverständlich um Eure amiga Catalina de Erauso.«
Während ich den Namen aussprach, hatte ich absichtlich den Blick gesenkt, doch ich beobachtete seine Reaktion aus dem Augenwinkel. Er machte ein Gesicht wie ein Mann, der eine Schlange aufgeschreckt hat. Mit Unschuldsmiene sah ich ihn an.
»Der Name erscheint mir ein wenig vertraut, Don Carlos. Wer, sagtet Ihr, ist diese Frau?«
»Ich muss mich entschuldigen, Señor. Da ganz Madrid und Sevilla über sie sprachen, nahm ich an, Ihr kenntet ihren richtigen Namen. Sie ist die Nonne, die aus dem Kloster geflohen ist, um Soldat und Glücksritter zu werden. Sicher habt Ihr die Geschichte gehört…«
»Ach ja, die berüchtigte Nonne, die Leutnant wurde. Ja, alle in der Neuen Welt und auch in der Alten wissen über sie Bescheid.« Er sah mich mit gespielt fragender Miene an. »Aber ich hatte noch nie etwas mit dieser Frau zu tun…« Er zuckte die Achseln.
»Ich muss Euch noch einmal um Verzeihung bitten. Auf
Weitere Kostenlose Bücher