Das Blut der Azteken
Stammbaum reicht zwar bis auf El Cid zurück, doch Ihr wisst ja, dass in diesen Dingen häufig Verwechslungen und Missverständnisse passieren. Mir kommt es nicht nur darauf an, genug zu verdienen, um das Leben eines Edelmannes führen zu können, sondern ich muss außerdem ein Rätsel aufklären, das meine Herkunft betrifft.«
Sotos Gedanken überschlugen sich derart, dass ich es ihm fast ansehen konnte. Ich hatte ihm mehr oder weniger gebeichtet, dass ich jüdische Vorfahren hatte, eine Eigenschaft, die mich insbesondere dann in Verlegenheit bringen konnte, wenn Mitglieder meiner Familie beschuldigt wurden, praktizierende Juden zu sein.
»Ich verstehe Euch sehr gut«, sagte Soto. »Es ist sehr teuer, solche Vorwürfe aus der Welt zu schaffen, und mögen sie auch noch so sehr aus der Luft gegriffen sein. Und bis dahin…« Er breitete die Hände aus.
Ich schickte mich zum Gehen an. »Ich möchte mich noch einmal dafür entschuldigen, Don Miguel, dass ich Euch mit meinen Sorgen behelligt habe.«
»Setzt Euch, Amigo, setzt Euch. Wie viel gedachtet Ihr denn zu investieren?«
Wieder wich ich seinem Blick aus. »Mein Vermögen ist sehr bescheiden. Vier-bis fünftausend Pesos, vielleicht ein wenig mehr.« Niemals hätte ein Spanier Auskunft über seine wahren Vermögensverhältnisse gegeben. Soto würde den von mir genannten Betrag mehrfach multiplizieren.
Er schüttelte den Kopf. »Eine recht geringe Summe, angesichts des Geschäftsvorhabens, das mir vorschwebt. Ihr würdet mindestens fünfundzwanzigtausend Pesos brauchen.«
»Ein derart großer Betrag übersteigt natürlich meine Möglichkeiten«, erwiderte ich mit gespielt verschlagenem Blick. »Aber ich würde dennoch gern mehr darüber erfahren. Vielleicht könnte ich das Geld ja auftreiben.«
Er grinste breit und überlegte vermutlich schon, wie er die fünfundzwanzigtausend Pesos, um die er mich betrügen würde, ausgeben sollte. »Bevor ich Vertrauliches enthülle, muss ich zuerst mit den übrigen Anlegern sprechen.«
»Das ist verständlich. Aber könnt Ihr mir wenigstens grob erklären, worum es geht? Ich muss mich entscheiden, ob ich überhaupt in der Stadt bleibe oder ob ich nach Norden ziehe, um mein Glück im Bergbau zu versuchen. Mir ist nur an einer Unternehmung gelegen, die rasch Gewinn abwirft.«
»Ich darf Euch lediglich verraten, dass es sich um Spekulationen mit Mais handelt und dass diese äußerst ertragreich sind. Selbstverständlich kann sich nur jemand daran beteiligen, den wir als Bruder betrachten.«
Ich gab Don Miguel, der über das ganze Gesicht grinste, meine Adresse, damit er sich mit mir in Verbindung setzen konnte, und verließ ihn. Als ich aus dem Haus trat, warf ich Jaime, dem lépero, einen viel sagenden Blick zu und schlenderte davon.
Er würde Soto beschatten, wenn dieser aus dem Haus ging. Dabei spielte es keine Rolle, ob er zu Fuß, zu Pferde oder mit der Kutsche unterwegs war, da der Junge auf den überfüllten Straßen auf jeden Fall mit ihm würde Schritt halten können.
Ich wiegte mich nicht in dem Glauben, dass die Verschwörer und Maisspekulanten mich aus brüderlicher Liebe in ihren Kreis aufnehmen würden. Und ich wusste nicht, ob sie das zusätzliche Geld brauchten, das ich ihnen in Aussicht gestellt hatte -auch wenn Sotos angeborene Habgier ganz sicher den Ausschlag geben würde.
Der wirkliche Köder, den ich ihnen hingeworfen hatte, bestand darin, dass ich als angeblich konvertierter Jude einen ausgezeichneten Sündenbock abgab. Wenn ihr Plan fehlschlug, würden sie ein Opferlamm brauchen. Und das hatte ich ihnen soeben zur Verfügung gestellt.
4
Zwei Tage lang hörte ich nichts von Soto, doch am dritten Vormittag bat er mich um ein Treffen. Kurz darauf erhielt ich eine zweite Nachricht, in der man mich aufforderte, mich noch am selben Nachmittag im Palast des Vizekönigs einzufinden.
Im Anschluss an meine Unterredung mit Soto war Jaime ihm bis zum Haus von Ramón de Alva gefolgt. Später war auch Luis dort erschienen. Meine Vermutungen hatten sich also bestätigt. Jetzt brauchte ich nur noch abzuwarten, ob sie den Köder schluckten.
Soto empfing mich in seinem Kontor und nahm mich beiseite, damit die Schreiber uns nicht belauschen konnten. »Leider muss ich Euch mitteilen, dass meine Freunde Euer Angebot ablehnen, Euch an unserem Unternehmen zu beteiligen.«
Meine Enttäuschung war ehrlich.
Auch Soto schien es zu bedauern. »Ich habe ihnen versichert, dass ich durch gemeinsame Freunde für Eure
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