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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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gegangen ist, um ihre Habgier zu befriedigen.«
    »Eléna wird mich lieben. Glaubst du wirklich, sie könnte Gefühle für einen Mestizen entwickeln? Eine Frau von reinem Geblüt soll einen Mischling lieben, eine Kreatur, die nicht einmal ein richtiger Mensch ist?«
    »Na, mein Bruder, das macht dir wohl sehr zu schaffen. Du weißt, dass sie mich liebt und dass du sie nur bekommst, weil ihr Onkel sie unter Druck gesetzt hat. Willst du das wirklich, Bruder? Eine Frau durch Be trug und Gewalt besitzen?
    Entspricht eine Vergewaltigung deiner Vorstellung von Liebe?«
    Er zitterte vor Wut.
    »Wie war es, sie ihrem Onkel abkaufen zu müssen, da sie dich nicht ertragen kann? Wie hoch ist der Anteil des Vizekönigs an den Schiebereien mit dem Mais? Wie viele Kinder werden wegen deiner Habgier verhungern?«
    »Ich bin hier, um dir zu sagen, wie sehr ich dich hasse. Seit meiner Kindheit hast du mein Leben überschattet. Meine Großmutter hat mir vom Fehltritt meines Vaters erzählt; er hat die Ehre einer der stolzesten Familien Spaniens beschmutzt, indem er ein Indiomädchen heiratete.«
    Ich war wie vom Donner gerührt. Don Eduardo hatte meine Mutter geheiratet. Mir wurde klar, dass ich gar kein Bastard war. Die Ehe meiner Eltern machte mich zum rechtmäßigen Erben. Kein Wunder, dass Luis und seine Großmutter sich stets vor mir gefürchtet hatten. Eduardo, der Träumer und Dichter, hatte meine Mutter nicht missbraucht, sondern sie zur Frau genommen und einen Mestizen gezeugt, der offiziell mit einer adeligen Familie und sogar mit dem Königshaus verwandt war.
    »Du hast Angst vor mir, weil ich der erstgeborene Sohn bin«, erwiderte ich. »Dem Gesetz nach bin ich nach Eduardos Tod der Erbe des Titels.« Ich legte den Kopf in den Nacken und lachte laut auf. »Ich besitze alles, wonach du dich immer gesehnt hast. Den Titel, die Häuser und die Haciendas, alles, worauf du stolz bist - selbst die Frau, die du begehrst!«
    »Du bist nichts weiter als ein Haufen Dreck.« Er schwieg eine Weile und zog dann ein Stück Papier aus der Tasche.
    »Als ein Zeichen guten Willens gegenüber meiner zukünftigen Braut habe ich mich bereit erklärt, dir eine Botschaft zu überbringen. Sie ist dir immer noch sehr dankbar für das, was du in Veracruz für sie getan hast.«
    Ich trat näher an das Gitter und streckte aufgeregt die Hand nach dem Brief aus. Doch er ließ den Zettel fallen, packte mich am Arm und zog mich an sich. Gleichzeitig fuhr seine andere Hand durch das Gitter und stieß mir einen Dolch in den Leib.
    Wir standen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt und starrten uns an. Als er den Dolch umdrehte, schrie ich vor Wut auf und holte mit der Hand aus, die den Federkiel hielt. Obwohl er mich sofort losließ und zurückwich, traf ihn die rasiermesserscharfe Gänsefeder im Gesicht und schlitzte ihm die Wange auf.
    Wieder sahen wir einander an. Tinte und Blut rannen ihm die Wange hinab. Ich berührte die Narbe in meinem Gesicht.
    »Ich habe eine Narbe, weil ich als Bergwerkssklave gezeichnet wurde. Jetzt habe ich dich gezeichnet.«
    Sein Blick blieb auf meinen Leib gerichtet. Ich öffnete mein Hemd. Das darunter versteckte Papierpäckchen wies einen tiefen Schnitt auf.

14
    Nachdem Luis fort war, grübelte ich lange über das nach, was er versehentlich ausgeplaudert hatte. Endlich war das Rätsel um meine Herkunft gelöst. Ich war gezwungen gewesen, mein Leben in einem Lügengebäude zu verbringen, ohne jedoch zu ahnen, dass der Grundstein dafür schon bei meiner Geburt gelegt worden war.
    Don Eduardo hatte die Hochzeit mit meiner Mutter nicht erwähnt. In Gedanken bezeichnete ich ihn immer noch als Don Eduardo, nicht als Vater.
    Vielleicht nahm er ja an, dass ich es bereits wusste oder dass Bruder Antonio mir die Wahrheit gesagt hatte. Doch Bruder Antonio hatte gehofft, dass Ahnungslosigkeit mich schützen würde. Natürlich hatte er sich geirrt. Es stand zu viel auf dem Spiel, als dass man sich darauf hätte verlassen können, die wirklichen Hintergründe würden nie ans Licht kommen.
    Ich malte mir aus, wie das tragische Spiel um die Ehre und das Erbe einer Familie begonnen und was Eduardo wohl für meine Mutter empfunden haben mochte. Mein erster Gedanke war, er habe seine Geliebte vielleicht nur geheiratet, um seiner Mutter eins auszuwischen. Doch mein Herz sagte mir, dass das nicht stimmte. Bei unserem Gespräch in der Kutsche hatte ich an seiner Stimme erkannt, dass ihm meine Mutter tatsächlich etwas bedeutet hatte.

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