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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Möglicherweise hatte er, wie so viele Dichter, die sich im Leben von ihren Worten leiten lassen, gedacht, dass die Liebe stärker sein würde als alles andere. Aber er hatte die Rechnung ohne die alte Frau gemacht, denn auch sie war eine Gefangene gesellschaftlicher Zwänge gewesen. Nach dem Tod ihres Mannes oder vielleicht schon viel früher hatte sie die Zügel in die Hand genommen, um das hohe Haus des Marqués de la Cerda vor dem Untergang zu bewahren.
    Was war in Eduardo vorgegangen, als Ramón damit beauftragt worden war, seine Frau und sein Kind zu töten? Hatte er diesen Mord als Strafe für seine Sünden betrachtet? Hatte er überhaupt versucht, die Tat zu verhindern? Oder hatte er gar nichts davon gewusst?
    Diese Fragen konnte ich nicht beantworten, doch ich legte mir Erklärungen zurecht, die mich selbst beruhigten.
    Ich weigerte mich zu glauben, dass Eduardo in den geplanten Mord an meiner Mutter eingeweiht gewesen war. Um seiner Seele willen betete ich, dass er nur aus Ahnungslosigkeit nichts dagegen unternommen hatte.
    Ganz sicher hatte er sich nach der Gräueltat Vorwürfe gemacht.
    Jeder von uns trifft seine Entscheidungen und beschreitet einen anderen Lebensweg. Und mein Vater hatte im Angesicht der Trümmer seines Lebens einfach aufgegeben. Er hatte die spanische Schönheit geheiratet, die seine Mutter für ihn ausgesucht hatte, und einen reinblutigen Stammhalter gezeugt, um sich anschließend in seine Gedichte zu flüchten, in die Worte, die aus seinem Herzen kamen.
    Inzwischen bezeichnete ich ihn doch als Vater, nicht mehr als Don Eduardo. Denn tief in meinem Innersten konnte ich genügend Verständnis für ihn aufbringen, um ihn so zu nennen. Aber verzeihen konnte ich ihm nicht.
    Einige Tage nach Luis' Mordversuch bekam ich wieder Besuch. Zuerst hielt ich die beiden Mönche vor meinem Zellengitter für Pater Osorio und seinen geierähnlichen Glaubensbruder, die gekommen waren, um mich zu zerfleischen. Die in Priesterkutten gehüllten Gestalten näherten sich meiner Zelle und blieben wortlos stehen.
    Ohne auf sie zu achten, blieb ich auf meiner steinernen Bank sitzen und überlegte, wie ich sie am besten beleidigen könnte.
    »Cristo.« Die Stimme eines Engels hatte meinen Namen geflüstert. Ich sprang auf und umfasste mit beiden Händen die Gitterstäbe.
    »Eléna.«
    Sie presste sich an das Gitter und griff nach meinen Händen.
    »Es tut mir Leid«, sagte sie, »dass ich dir so viele Schwierigkeiten gemacht habe.«
    »Daran bin ich selbst schuld. Ich bedaure nur, dich mit hineingezogen zu haben.«
    »Cristo.«
    Ich trat einen Schritt zurück, weil ich mit einem Dolchstoß rechnete.
    »Bist du gekommen, um mich zu töten, nachdem dein Sohn versagt hat?«, fragte ich meinen Vater.
    »Ich habe Eléna begleitet, um dir, meinem Sohn, zur Flucht zu verhelfen. Ich weiß, was Luis versucht hat. Er hat gehöhnt, er sei zwar gescheitert, werde aber jemanden damit beauftragen, seinen Plan auszuführen. An einem solchen Ort kann man für Geld jederzeit einen Menschen ermorden lassen. Gewiss findet er einen Wärter, der es tut, wenn er ihm genug dafür bezahlt. Wir sind hier, weil das Gold schon den Besitzer gewechselt hat.«
    »Wahrscheinlich wäre es leichter, meine Ermordung zu finanzieren als meine Flucht. Der Mörder würde gewiss nicht bestraft, da ich sowieso zum Tode verurteilt bin. Doch wenn ich fliehe, werden die Wachen in Schwierigkeiten geraten. Und ohne ihre Mithilfe kann ich unmöglich entkommen. Die Gitterstäbe sind aus Eisen und die Mauern über einen halben Meter dick.«
    »Wir haben einen Plan«, erwiderte Don Eduardo.
    »Wir brauchen keinen Plan, sondern ein Wunder.«
    Wieder griff Eléna nach meiner Hand. »Dafür habe ich auch gebetet.«
    Wir steckten die Köpfe zusammen, und sie erklärten mir im Flüsterton, was sie vorhatten.
    »Dein Freund Mateo arbeitet mit uns zusammen«, meinte Don Eduardo. »Er hat uns versichert, dass ihm schon viele Gefängnisausbrüche geglückt sind. Selbst aus dem Kerker des Bey von Algier ist er entflohen. Nachdem er Eléna um Hilfe gebeten hatte, wandte sie sich an mich, da sie wusste, dass ich verzweifelt eine Gelegenheit herbeisehne, meine Fehler wieder gutzumachen.«
    Fast hätte ich laut aufgestöhnt. Mateos Gefängnisausbrüche wurden für gewöhnlich schwarz auf weiß festgehalten und auf der Bühne zum Besten gegeben.
    »Mateo hat sich durch eine Falltür in meinem Schlafzimmer Zugang zum Palastdach verschafft«, sagte Eléna. »Eigentlich dient

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