Das Blut der Azteken
sichergehen, dass die Wachen des Vizekönigs anderweitig beschäftigt waren.
Hinter Don Eduardo taumelte ich aus dem Gefängnis, wo sich schon andere hustende und keuchende Menschen versammelt hatten. Wärter lagen auf dem Boden. Der Zellentrakt war nur verqualmt, doch in der Wachstube hatten Mateos Bomben Holz, Kohlen und Steine aus dem Kamin in den Raum geschleudert und einige der Männer verletzt.
Ich folgte Don Eduardo, der zu einer wartenden Kutsche eilte. Der Kutscher war nicht in Sicht. Don Eduardo riss die Tür auf und erstarrte.
Aus dem Inneren der Kutsche grinste ihm Luis' Gesicht entgegen.
»Ich habe die Kutsche vor dem Kerker stehen sehen und mir gedacht, dass du diesem Schwein einen Besuch abstattest. Allerdings erstaunt es mich, dass du den Mut hattest, ihm bei der Flucht zu helfen. Wachen!«
Don Eduardo packte ihn und wollte ihn aus der Kutsche zerren. Aber Luis zückte den Dolch und stieß Don Eduardo die Klinge in den Bauch.
Der Don ließ Luis los und taumelte zurück. Luis hatte sein Gleichgewicht noch nicht wiedergefunden, und als ich ihm einen Faustschlag versetzte, stürzte er gegen die Kutsche. Ich rammte ihm den Ellenbogen ins Gesicht, sodass er in sich zusammensackte.
Mein Vater kniete auf dem Boden und umklammerte seinen Leib. Blut rann ihm durch die Finger.
»Lauf!«, keuchte er.
Die Wachen stürmten bereits auf uns zu. Ich konnte nicht länger warten. Also sprang ich auf den Kutschbock, griff nach den Zügeln und trieb die Pferde mit der Peitsche zur Eile an.
Von zwei verängstigten Pferden gezogen raste die Kutsche über das Kopfsteinpflaster. Die Tiere hielten schnurstracks auf das etwa siebzig Meter entfernte Haupttor zu. Hinter mir schlugen die Wachen Alarm und feuerten ihre Musketen auf mich ab.
Einige Soldaten eilten zum Tor, um es zu schließen. Als es mit einem Knall zufiel, wendete ich die Pferde. Weitere Schüsse ertönten, während ich die Pferde die hohe Mauer entlanghetzte, die das Palastgelände von der Straße trennte. Ein Schuss traf eines der Tiere. Als es zu Boden ging, geriet die Kutsche ins Schlingern und prallte gegen die Mauer. Vom hohen Kutschbock aus gelang es mir, auf die Mauer zu springen und mich auf der anderen Seite in das Gebüsch am Straßenrand fallen zu lassen.
»Mein Freund!«
Ein Pferd im Schlepptau kam Mateo auf mich zugaloppiert.
15
» Wir werden es nie über eine Brücke schaffen!«, rief ich, während wir durch die Straßen preschten.
Mateo schüttelte den Kopf, als sei die Flucht aus dieser Inselstadt völlig nebensächlich. Es wurde rasch dunkel, doch auch das würde es uns nicht erleichtern, uns an den Brückenwärtern vorbeizuschmuggeln. Wegen der Explosionen und der Schüsse am Palast des Vizekönigs herrschte gewiss in der ganzen Stadt erhöhte Aufmerksamkeit.
Aber Mateo brachte mich nicht zu einer Brücke. Stattdessen führte er mich an einen Ort, der mir gut bekannt war: den Steg am Hafen, von dem aus wir damals, das Boot gefüllt mit dem Schatz aus dem Münzamt, aus der Stadt geflohen waren
Ein Boot wartete. Als wir näher kamen, stießen die beiden Mestizen an Bord das Gefährt ab und entfernten sich mit raschen Ruderschlägen vom Ufer. Ich verfluchte ihre betrügerischen Herzen. Wir saßen fest!
Nachdem ich Mateos Beispiel gefolgt und vom Pferd gestiegen war, jagte er die Tiere in die Stadt zurück. Hufgetrappel näherte sich.
»Das Boot ist weg, wir sitzen in der Falle!«
»Das da im Boot waren wir«, erwiderte Mateo ruhig.
Er zog mich zu einem Eselskarren, vor dem Jaime, der lépero, stand und übers ganze Gesicht grinste. Bis auf ein paar Indiodecken war der Wagen leer.
»Schnell unter die Decken. Der Junge bringt uns hier raus.«
»Die Wachen auf der Brücke lassen uns niemals durch. So dumm sind sie nicht.«
»Wir fahren nicht über eine Brücke.« Mateo sah Jaime finster an.
Der Junge hatte die Hand ausgestreckt.
»Was willst du?«
»Mehr Geld.«
Da uns das Hufgetrappel der Pferde der Soldaten in den Ohren hallte, warf Mateo dem Jungen fluchend noch eine Münze zu. »Bandit!«
Dann kletterten wir in den Wagen, deckten uns zu, und der Junge führte den Esel davon.
Wir fuhren in das Haus der verwitweten Tochter von Don Silvestre.
»Inzwischen wohnt sie mehr oder weniger ständig bei ihrem Vater und kommt nur her, um mir etwas zu essen zu bringen und mich zu trösten«, erklärte Mateo. »Nach meiner Rückkehr in die Stadt habe ich mich hier verkrochen, bis ich mich mit Eléna und durch sie mit Don Eduardo
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