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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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auf seinem Gesicht waren aus dieser Höhe nicht zu erkennen, und als ich seine glatt rasierten Wangen und die Narbe betrachtete, hatte ich das Gefühl, mich selbst von oben zu sehen.
    Luis hatte denselben Fehler begangen wie der Pirat: Er hatte eine Frau unterschätzt.
    »Eléna.« Ich streckte die Hand nach ihr aus. Sie umfasste meine Taille, und ich lehnte mich kurz an sie, bevor ich mich losmachte. »Ich muss Mateo helfen.«
    Dem Pícaro erging es mit Ramón nicht besser als mir mit Luis. Er war zwar ein geschickterer Fechter als ich - genau genommen sogar ein ausgezeichneter -, doch Ramón galt als der fähigste Schwertkämpfer Neuspaniens.
    Als ich auf den Schauplatz des Kampfes zuhumpelte, machte Mateo plötzlich einen Schritt nach vorn und schlug nach Ramón. Ramón holte nach Mateos Hals aus, aber Mateo fing die Klinge mit dem Unterarm ab und stieß seinem Gegner gleichzeitig den Dolch in den Leib.
    Die beiden standen sich dicht gegenüber, sodass sich ihre Nasen fast berührten. Ramón starrte Mateo ungläubig an und konnte es offenbar nicht fassen, dass er besiegt, geschweige denn tödlich verletzt worden war.
    Mateo drehte den Dolch herum. »Das ist für Don Julio.« Er wiederholte die Bewegung. »Für Bruder Antonio.«
    Dann trat er zurück und betrachtete Ramón, der auf den Fersen hin und her wankte. Der Dolch steckte immer noch in seinem Leib. Mateo grinste seinen Gegner an, hob den Unterarm und zog den Ärmel zurück, um ihm den Metallpanzer zu zeigen, den er dort trug. »Ich bedaure, aber ich bin nun einmal kein Ehrenmann.«
    Ramón sackte in sich zusammen.
    Die Musketenschüsse wurden immer lauter. Das Volk zog sich aus dem Palast zurück und ergriff vor den Wachen die Flucht.
    »Bringt ihn weg«, wies Mateo Eléna an. »Schafft ihn in den Stall und in eine Kutsche. Er muss von hier verschwinden.«
    »Wo willst du hin?«, fragte ich ihn.
    »Ich habe eine Idee.« Er flüsterte Eléna etwas ins Ohr, dass ich nicht verstehen konnte.
    Im Gehen drehte ich mich noch einmal um und sah, wie Mateo sich über Luis beugte. Dann richtete er sich auf und rief den Wachen zu, die den Flur entlangliefen:
    »Hierher! Nehmt diesen Mann fest. Es ist Cristo el Bandito!«

19
    Eléna trieb eine Kutsche und einen verängstigten Kutscher auf und befahl dem Mann, uns aus der Stadt zu fahren. Unser Ziel war eine Hacienda, die Luis gehörte. Es war nicht weit, und wir brauchten einen Unterschlupf, wo ich meine Wunden versorgen lassen konnte.
    »Luis hat diese Hacienda nur selten besucht. Er hat sie erst kürzlich erworben und war fast nie hier.«
    »Die Leute dort werden wissen, dass ich nicht Luis bin.«
    »Die Diener und Kuhhirten können dich nicht von Luis unterscheiden. Wenn wir behaupten, dass du Luis bist, werden sie das nicht infrage stellen. Dem Verwalter wurde vor kurzem gekündigt. Es war Luis' Lieblingsbeschäftigung, seine Verwalter hinauszuwerfen!«
    Nachdem sie ein Stück von ihrem Unterrock mit meinem Blut besprenkelt hatte, wickelte sie es mir ums Gesicht. »So. Und wenn ich behaupten würde, dass du der Vizekönig selbst bist, würden sie mir glauben.«
    Sie weigerte sich, mir zu verraten, was Mateo ihr zugeflüstert hatte.
    Wie damals in Veracruz versorgte sie meine Wunden. Ich lag den ganzen Tag im Bett und genas.
    Allerdings betrachtete ich diese Atempause nur als vorübergehend, denn ich war sicher, dass die Männer des Vizekönigs mich jeden Moment holen würden. Es war ein Fehler von Mateo gewesen, Luis nicht umzubringen, und es war blanker Wahnsinn, ihn den Wachen auszuliefern und ihn als Cristo el Bastardo auszugeben. Wir sahen uns zwar ein wenig ähnlich, doch sobald Luis wieder bei Bewusstsein war, würde er das Missverständnis rasch aufklären.
    Ich verfluchte Mateos Dummheit.
    Einige Tage später kam Eléna in mein Zimmer. Sie sah ein wenig bestürzt aus.
    »Er ist tot.«
    »Wer?«
    »Cristo el Bastardo. Mein Onkel hat ihn sofort hinrichten lassen, um den Aufständischen eine Lektion zu erteilen.«
    »Meinst du Luis? Aber wie? Warum haben sie ihm nicht geglaubt, als er ihnen gesagt hat, wer er in Wirklichkeit ist?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Weinend fiel sie mir in die Arme.
    »Mir ist klar, dass er ein Teufel war«, schluchzte sie. »Doch dafür mache ich seine böse Großmutter ebenso verantwortlich wie ihn selbst. Ich habe ihn nie geliebt, eigentlich war es sogar schwierig, ihn zu mögen. Er hatte keine echten Freunde, und das war der Grund, warum ich versucht habe, ihm eine Freundin zu

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