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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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weiter auffielen.
    In Ermangelung anderer Möglichkeiten ließ er sich schließlich erweichen. Selbstverständlich beanspruchte er die Hauptrolle für sich und überließ mir die des dicken, kleinen Bauern Sancho. »Wehe, wenn du den Namen des Schurken erwähnst, der mir die Seele gestohlen hat«, warnte er mich noch.
    In unseren Kostümen verließen wir das Haus.
    »Wir gehen auf den Hauptplatz. Dort wird es während des Umzugs so voller Leute sein, dass niemand es bemerken wird, wenn wir uns zum Lagerhaus schleichen.«
    Auf dem Platz drängten sich die Menschen, einige von ihnen kostümiert, andere nur Schaulustige in Alltagskleidung. Der Umzug wurde von Trompetern angeführt. Ihnen folgte eine lange Reihe von Wagen, auf denen historische, literarische und biblische Szenen dargestellt waren.
    Die Karnevalswagen waren kunstvoll gestaltet, wobei die gewagtesten den größten Beifall vom Publikum erhielten. Die Menschen auf den Straßen waren kleine Kaufleute, Arbeiter und arme Leute. Die hohen Herrschaften sahen sich das Spektakel von geschmückten Baikonen und Dächern aus an.
    Natürlich durfte unter den literarischen Figuren auch unser Freund aus La Mancha nicht fehlen, der den Schluss des Zuges bildete. Obwohl die Abenteuer des irregeleiteten Ritters vor nicht allzu langer Zeit erschienen waren, waren sie bereits zur Legende geworden. Jeder unter den Zuschauern, von denen kaum einer je ein Buch gelesen hatte, kannte die Geschichte.
    Don Quijote, eigentlich Alonso Quijano, ist ein Adliger mittleren Alters, ein Mann, der sein Leben in Müßiggang und nicht allzu großem Wohlstand in der trockenen, nahezu unfruchtbaren Region La Mancha verbracht hat. Don Alonso entwickelt eine Schwäche für Ritterromane, und die Handlung dieser Bücher, in denen es um edle Recken, Prinzessinnen in Bedrängnis und das Töten von Drachen geht, ist derart phantastisch und bar jeglichen Bezugs zur Wirklichkeit, dass der arme Mann durch die Lektüre den Verstand verliert. Bald poliert er die alte Rüstung seines Großvaters wieder auf und sattelt sein tapferes Schlachtross Rosinante - in Wirklichkeit ein abgetakelter, alter Ackergaul -, damit es ihn in den Kampf trägt. Da jeder Ritter - selbst einer, der Windmühlen mit riesigen Ungeheuern verwechselt - eine Prinzessin braucht, die er retten und lieben kann, macht er ein einfaches Bauernmädchen namens Aldonza Lorenza zur Herzogin. Als Pagen und Diener erwählt er einen Bauern, den leichtgläub igen Sancho, der ihn begleitet.
    Bei seinem ersten Ausflug gerät der Don in einen Landgasthof, den er, gefangen in seiner Traumwelt, für eine große Burg mit einem Graben und hohen Türmen hält. Er wird von zwei Prostituierten bedient, die in seinen Augen vornehme Damen aus adliger Familie sind. Am Abend helfen ihm die beiden ›Damen‹ beim Ausziehen.
    Der Wagen zeigte den guten Don im Nachthemd, aber mit dem Ritterhelm auf dem Kopf. Die beiden Frauen standen neben ihm. Allerdings blieb mir nicht viel Zeit, den Wagen zu bewundern.
    »Los, gehen wir«, befahl Mateo.
    Wie der treue, dümmliche, pummelige Sancho trottete ich hinter meinem Don Quijote her, um wieder einmal gegen Windmühlen zu kämpfen.

17
    Eine Straße vom Lagerhaus entfernt wurden wir von Jaime und einer Prostituierten erwartet.
    »Hast du der Hure ihre Anweisungen gegeben?«, fragte Mateo.
    »Si, Señor. Aber sie verlangt mehr Geld.« Wie üblich streckte Jaime fordernd die Hand aus.
    »Hast du meine Warnungen vergessen?«, drohte Mateo. »Wenn ihr beide nicht tut, was ich euch sage, schneide ich euch Ohren und Nasen ab. Hier«, fügte er hinzu und reichte ihm eine Münze. »Aber das ist die letzte. Und damit Schluss.«
    Die Hand senkte sich. Doch der Blick des Jungen gefiel mir gar nicht. Ich erklärte das Mateo, während wir losgingen, um unsere Plätze einzunehmen.
    »Du hättest dem Jungen mehr Geld geben sollen«, bemerkte ich.
    »Nein. Wir haben dem kleinen Dieb schon ein Vermögen bezahlt. Er hat genug.«
    »Du verstehst nicht, wie ein lépero denkt. Auf jedes Festmahl könnte eine Hungersnot folgen, und deshalb ist es niemals genug.«
    Vor dem Lagerhaus sahen wir vier Wachmänner. Nur einer hatte Dienst. Die anderen drei saßen an einem Feuer. Zwei schliefen, der dritte wartete dösend auf den Anfang seiner Schicht. Hinter dem Gebäude stand ebenfalls ein Wachmann, was reichte, weil er jederzeit seine Kameraden herbeirufen konnte.
    Jaime und die Hure machten sich an die Arbeit. Sie schlenderten an der Rückseite des

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