Das Blut der Azteken
Zwischenzeit hätten unsere Gegner ihr Vermögen verdoppelt oder verdreifacht, und deine Liebste ist mit ihrem neuen Gatten längst auf dem Weg nach Spanien. Nein, wir müssen kühn und rasch zuschlagen. Und das tun wir, indem wir das Lagerhaus mit dem Mais niederbrennen, damit der Mais knapp wird.«
Ich starrte ihn entgeistert an. »Hast du den Verstand verloren? Damit würden wir den Verbrechern genau in die Hände spielen. Je knapper der Mais ist, desto teurer wird er doch. Sie werden den Mais aus anderen Gegenden heranschaffen und ein Vermögen verdienen.«
Mateo schüttelte den Kopf. »Wie ich schon gesagt habe, schränken sie das Angebot in der Stadt ein. Sie halten den Mais zurück, um den Preis hochzutreiben. Wenn es aussieht, als könnten die Armen sich auflehnen, geben sie genug heraus, um die Lage zu entspannen. Aber wenn wir ihre Vorräte vernichten, haben sie nicht nur keine Ware mehr zu verkaufen, sondern können auch die Bevölkerung nicht mehr beschwichtigen. Mais aus den nächstgelegenen Lagerhäusern, denen in Texcoco, herzubringen, dauert mindestens eine Woche. Bis dahin werden die Leute ziemlich hungrig sein.«
»Ich weiß nicht so recht…«
»Hör zu, der Plan ist genial. Wir schlagen sie mit ihren eigenen Waffen. Um den Preis hochzutreiben, setzen sie den Mais in ihrem Lagerhaus ein wie einen Eimer Wasser zum Feuerlöschen. Sie lassen die, bei denen es brennt, teuer für das Wasser bezahlen, und verspritzen nur ein paar Tropfen, wenn es aussieht, als könnten die Flammen sich ausbreiten. Wir nehmen ihnen den Eimer weg. Dann können sie eine Ausbreitung des Brandes nicht mehr verhindern. Hungernde Menschen lassen sich nicht ruhig halten. Wenn es die Sünden der Menschen und der Götter nicht schaffen, dass die Bevölkerung dieser Stadt sich auflehnt, wird der Hunger dafür sorgen.«
»Es ist schon öfter zu Aufständen gekommen«, wandte ich ein.
»Ja, und es wird wieder geschehen. Wir vernichten die Maisvorräte. Dann schicken wir Leute los, die das Gerücht ausstreuen, der Vizekönig selbst hätte den Mais angezündet. Schließlich hätte man Soldaten der Palastwache beim Legen der Brände beobachtet.«
Ich brach in Gelächter aus. »Mateo, du bist der größte Dramatiker der ganzen Welt.«
»Du überschätzt mein Talent«, erwiderte er mit gespielter Bescheidenheit.«
16
» Während der mascarada können wir unseren Plan unbemerkt in die Tat umsetzen«, verkündete Mateo.
Bekanntermaßen fand man in der Kolonie immer einen Grund zum Feiern. Ganz gleich, ob es sich nun um den Respekt vor den Toten, die Ankunft der Schatzflotte, gewonnene Kriege in Europa, den Geburtstag eines Heiligen oder die Einsetzung von Bischöfen und Vizekönigen handelte, jeder Vorwand war uns recht, um ein Straßenfest zu veranstalten.
Von allen Feierlichkeiten gefielen mir die bunten mascaradas am besten. Wie Mateo mir erklärte, beging man diesmal das freudige Ereignis, dass die Königin von einem gesunden Thronfolger entbunden worden war. Don Silvestres Tochter hatte ihm während eines ihrer Besuche von dem Fest erzählt.
»Sie meint, die mascarada fände statt, um die Leute von ihren leeren Mägen abzulenken. Der Vizekönig weiß, wie es um die Stimmung auf den Straßen bestellt ist. Jedes Mal, wenn er eine Sondersteuer erhebt, um die Kriege des Königs zu finanzieren, hält er einen Karneval ab. In der letzten Woche hat er wieder die Honoratioren der Stadt zusammengerufen und angekündigt, es werde zur Feier der Geburt des Prinzen eine mascarada geben. So haben wir die Möglichkeit, verkleidet auf die Straße zu gehen. Don Silvestres Tochter besorgt Kostüme für uns.«
Als ihre Diener die Kostüme ablieferten, musterte Mateo die Sachen entgeistert und bekam prompt einen Tobsuchtsanfall.
»Ich weigere mich, diese Fetzen anzuziehen!«
»Das kann ich mir denken«, erwiderte ich und unterdrückte mühsam ein Lachen.
Er trat nach dem Kleiderhaufen. »Das Schicksal verhöhnt mich.«
Don Silvestres Tochter hatte sich zu unserer Tarnung ausgerechnet die beliebteste Kostümierung ausgesucht: Wir sollten uns als Don Quijote und sein rundlicher Diener und Begleiter Sancho verkleiden. Woher hätte sie auch wissen sollen, welchen Groll Mateo gegen den Schöpfer des Ritters von der traurigen Gestalt hegte?
Obwohl Mateo zunächst entging, wie außerordentlich klug diese Wahl gewesen war, verstand ich es auf Anhieb. Bei der mascarada würde es von Don Quijotes und Sanchos nur so wimmeln, dass wir niemandem
Weitere Kostenlose Bücher