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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Rechtschaffenheit spanischer Soldaten, Kaufleute und einfacher Bauern. Wie Mateo war auch der Zwerg ein Freund des Pathos.
    »Die Ehre ist kein Privileg des Adels«, deklamierte der Zwerg. »Sie gehört uns allen, die wir so handeln, wie es einem Manne geziemt. Wir Spanier sind die größte Nation auf der ganzen Welt. Unsere Armeen sind die stärksten, unser König ist der großzügigste, unsere Kultur ist die ruhmreichste, unsere Männer sind die tapfersten, und unsere Frauen sind die schönsten und tugendhaftesten.«
    Die Zuschauer jubelten.
    Nach jeder Ansprache brachte uns ein Gitarrist und Sänger Balladen dar, die vom Mut der spanischen Männer und insbesondere von ihrer Liebe zu den Frauen, zur Ehre und zum Krieg sangen.
    Mein Schmuck ist das Schwert,
mein Zeitvertreib die Schlacht.
Bette mich unterm Himmelszelt,
ein Stern über mich wacht.
Die Wanderschaft ist lang,
nie finde Ruhe ich.
Und küss auf meinem weiten Weg
das Andenken an dich.
Reite von Land zu Land,
segle auf rauer See,
bis eines Tags das Schicksal will,
dass ich dich wiederseh.
    Das Stück schritt rasch voran. Der englische Freibeuter kehrte zurück, um erneut die offensichtlich willige Gattin des Soldaten zu schänden. Diesmal jedoch wurde er vom Ehemann erwartet.
    Nachdem der Zwerg sich einige Male verbeugt und noch einen langen Monolog gehalten hatte, brach zwischen ihm und dem Piraten ein Fechtkampf aus. Der Soldat beförderte den schurkischen Briten ins Jenseits, wandte sich an das Publikum und verkündete, er müsse nun mit seiner Frau abrechnen.
    Die Männer unter den Zuschauern kannten keine Gnade; schließlich stand und fiel die Ehre eines Mannes mit der Treue seiner Frau. Ganz gleich, wie sehr der Soldat seine Gattin auch lieben und den Übeltäter hassen mochte, der Verlust ihrer Keuschheit - auch nur gerüchtehalber - verlangte nach Blutrache.
    Das Publikum tobte. Ein Mann forderte lautstark den Kopf der Gattin und beschwerte sich, sie habe den Piraten schließlich nicht dazu gezwungen, sie zu töten. Ein anderer erwiderte hitzig, immerhin sei es nicht ihre Schuld gewesen. Dass der Bösewicht sie nicht mit dem Schwert durchbohrt habe, wiese ihn als ehrlosen Gesellen aus und ließe keine Rückschlüsse auf die Moral der Gattin zu. Die beiden Männer fingen an, sich zu prügeln, und bald wurden die Schwerter gezogen. Wieder mischten sich die Schauspielerinnen ein. Sie trennten die Streithähne und lockten sie mit süßen Worten, einem verführerischen Lächeln und unhaltbaren Versprechungen in entgegengesetzte Ecken des mit Decken abgetrennten Areals.
    Kaum hatten die Schauspieler wieder ihre Positionen eingenommen, als der Zwerg die Handlung plötzlich unterbrach. »Entschuldigt, meine Freunde, doch ich wurde soeben daran erinnert, dass unsere Truppe jetzt, da wir ja nun ein zweites Stück zeigen, Anspruch auf weitere Entlohnung hat.«
    Die beiden Pícaras hatten sich erstaunlich geschickt von den beiden Schwertkämpfern freigemacht, schritten wieder durch die Menge und hielten den Zuschauern ihre Hüte hin. Trotz lautstarken Geschimpfes floss das Geld in Strömen.
    Entgeistert starrte ich die Frauen an. Eine comedia schien mir wenig anderes zu sein als Vergewaltigung, Mord und Raub auf der Bühne - zumindest hier in Neuspanien. Was die Schauspielerinnen anging, bestätigten sie mir wieder einmal, dass Frauen über Männer eine unerklärliche Macht ausübten.
    Zugegeben, die meisten Frauen, die ich kannte, waren Prostituierte aus Veracruz. Doch ich hatte auch feine Damen aus der Ferne beobachtet. Und das wenige, das ich hatte feststellen können, deckte sich mit dem, was ich auf dem Markt in Jalapa miterlebte. In Gegenwart einer Frau verwandelten sich tapfere, kluge Männer in sabbernde Idioten, hielten sich aber dennoch weiterhin für die Stärksten, Größten und Besten.
    Nachdem die beiden Schauspielerinnen das Publikum ausgeplündert hatten, kehrte der heldenhafte Zwerg auf die Bühne zurück.
    »Ich denke, du solltest dich jetzt umbringen«, sagte er, am Ende seiner Geduld angelangt, zu seiner Frau.
    »Aber womit, mein lieber Mann?«, erwiderte sie mit einem selbstzufriedenen Grinsen.
    »Du verlogenes Stück!«, brüllte der Zwerg. »Alle Frauen verstecken für derartige Gelegenheiten Gift in ihrem Mieder, damit sie, wenn sie von Piraten entführt werden, schnell ein Ende machen können, um ihre geliebten Gatten, treuen Brüder und hoch verehrten Väter nicht zu entehren.«
    Beifälliges Gemurmel erhob sich aus der

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