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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Theateraufführungen in Spanien die einfachen Leute am nächsten an der Bühne standen. Man nannte sie mosqueteros, Musketenträger, weil sie die ganze Zeit über für Radau sorgten. Dieser dahergelaufene Pöbel bewarf die Schauspieler mit Obst und anderen Gegenständen, wenn ihm das Stück nicht gefiel.
    »Bauerntölpel!«, schrie Mateo, während man ihn von der Bühne schob.
    Er rief auch noch etwas anderes, das sich auf die Männlichkeit und die Mütter der Störer bezog und das ich nicht einmal in dieser Lebensbeichte wiederholen möchte. Jedenfalls sorgte diese Beleidigung dafür, dass einige Männer die Schwerter zückten. Doch sie steckten sie sofort wieder weg, als die beiden Schauspielerinnen sie mit reizenden Worten und einem verführerischen Lächeln beschwichtigten, das alle Freuden dieser Welt verhieß - obwohl ich sicher bin, dass dieses Versprechen nie eingelöst wurde.
    In der Zwischenzeit hatte die Truppe beschlossen, den Spielplan zu ändern.
    Der Zwerg erklärte, dass nun ein einfacher spanischer Soldat, kein polnischer König, auf der Bühne stünde.
    »Ich bin ein schlichter Soldat des Königs«, sagte er, »und ich wurde durch die Taten eines englischen Piraten in meiner Ehre verletzt.«
    Am Bühnenrand prahlte der Pirat: »Ich habe tausend spanische Frauen verführt, zwar anfangs mit Gewalt, doch der Widerstand dauerte nie lang. Im Grunde ihres Herzens sind sie alle Huren, die schon bei der Geburt von ihren Müttern in die Künste der Dirnen eingeweiht werden.«
    Das Publikum tobte. Schwerter klapperten, Drohungen wurden ausgestoßen, und alle heulten und schrien.
    »Der einfache Soldat«, fuhr der Zwerg fort, nachdem er mit einer Handbewegung um Ruhe gebeten hatte, »kehrt aus dem italienischen Krieg zurück und stellt fest, dass seine Gattin von einem englischen Freibeuter geschändet worden ist.«
    Die Zuschauer schnappten nach Luft. »Wenn er sich nicht an dem englischen Hurensohn rächt, ist er kein richtiger Spanier!«, riefen einige Männer.
    »Dann ist er ein Waschweib!«, kreischte eine Frau.
    Zweifellos hatte der spanische Soldat auf seinem Zug durch Italien ebenfalls vergewaltigt und geraubt, so wie die Spanier es bis zum heutigen Tag in Neuspanien taten. Schließlich war meine Existenz der lebende Beweis für diese beklagenswerte Tatsache. Doch angesichts der Stimmung im Publikum behielt ich meine Gedanken lieber für mich.
    Der Zwerg zückte sein Schwert. Es war zwar nicht viel mehr als ein etwas groß geratener Dolch, wirkte in seiner winzigen Hand jedoch wie eine riesige Klinge. Seine dröhnende Stimme ließ uns erbeben. »Ich habe englischen, französischen und holländischen Schweinehunden die Kehle aufgeschlitzt, und nun wird mein Schwert wieder ihr Blut trinken.«
    Das Publikum raste. Die Männer schwenkten die Schwerter und forderten den feigen Lüstling auf, sich zu zeigen. Allerdings übt sich ein kluger Schwertkämpfer lieber in Zurückhaltung. Entweder war der Schauspieler sehr begabt - oder er fürchtete sich wirklich, denn er versteckte sich am Bühnenrand. Ich bezweifelte, dass die berüchtigten mosqueteros in Sevilla so bedrohlich waren wie unsere blutrünstigen Kolonisten.
    Nun traten die Schauspielerinnen auf. Diesmal sangen sie ein Lied zu Ehren der reinen Keuschheit und kostbaren Jungfräulichkeit spanischer Frauen auf der ganzen Welt. Doch sie konnten beim Singen der Versuchung nicht widerstehen, die Füße hochzuwerfen, sodass ein gutes Stück ihrer Beine und auch der Garten der Lüste dazwischen sichtbar wurden. Die beiden Priester im Publikum taten scheinheilig so, als wendeten sie ihre neugierigen Blicke ab.
    Dann zeigte sich der grausame englische Pirat. Mit gezücktem Schwert sprang er auf die Bühne, stürzte sich auf eine der Tänzerinnen und brüllte: »Ich hatte dich schon einmal, und jetzt nehme ich dich wieder.«
    Natürlich handelte es sich bei der Frau um die Gattin des einfachen Soldaten. Die Männer im Publikum flehten sie an, sich lieber selbst das Leben zu nehmen, als die Ehre ihres Mannes in den Schmutz zu ziehen. Doch es sollte nicht sein. Wie als Bestätigung der Worte des Freibeuters gab sie sich ihm fast sofort und nach lächerlich wenig Gegenwehr hin. Die Zuschauer wurden von rasender Wut ergriffen.
    Der spanische Soldat, gespielt von dem Zwerg, setzte seinen Monolog fort. Begleitet von großen Gesten mit dem Umhang und dem breitkrempigen Hut schilderte er die Furchtlosigkeit spanischer Männer auf der ganzen Welt und sprach von der

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