Das Blut der Azteken
bereits zusammen. Sofort wurden sie von anderen Kaufleuten abgelöst, die gerade aus Veracruz eingetroffen waren.
Als ich über den Markt ging, sah ich, dass Bruder Antonio mit einem Reiter sprach. Ich hatte nur einen kurzen Blick auf Ramón erhaschen können, als dieser das Armenhaus durchsuchte, doch ich erkannte ihn sofort. Aus seiner Kleidung - Lederstiefel, Hose, ein Hemd aus einem wertvollen, aber derben Stoff und ein breitkrempiger Hut ohne Verzierung - schloss ich, dass er der Verwalter einer Hacienda war. Ganz eindeutig war er kein Sporenträger, der sich mit eleganten Kleidern und einer Mulattin als Geliebten schmückte. Obwohl er dank der Großzügigkeit des Königs ein Leben im Überfluss führen konnte, wirkte er nicht verweichlicht. Und ich wusste, dass er nach mir suchte.
Ein zweiter Reiter war bei ihm, ein Spanier, der die Kleidung eines Aufsehers trug, eines Mannes also, der die Arbeiter auf einer Hacienda befehligte.
Da es von Menschen wimmelte, hätte ich mühelos in der Menge untertauchen können. Doch bei Ramóns Anblick bekam ich es mit der Angst zu tun und machte mich auf den Rückweg ins Lager, um mich in den Flussauen zu verstecken.
Dabei beging ich jedoch einen schweren Fehler: Ich sah mich um. Als ich über die Schulter schaute, traf mich Ramóns Blick. Und darauf folgte mein zweiter Fehler: Ich fing an zu rennen.
Da ich einen Hut trug und ein gutes Stück entfernt von ihm stand, konnte er mein Gesicht sicher nicht erkennen. Aber mein Verhalten erregte sofort seine Aufmerksamkeit.
Er lenkte sein Pferd in meine Richtung. Als Bruder Antonio nach den Zügeln griff, schlug Ramón ihm den schweren Knauf seiner Reitgerte über den Kopf. Das Pferd stürmte auf mich zu, während der Bruder zu Boden fiel, als wäre er erschossen und nicht nur geschlagen worden.
Die Höllenhunde waren mir auf den Fersen. Ich lief in das dichte Dornengebüsch und kletterte auf aufgeschürften Händen und Knien die steile Böschung hinauf. Hinter mir hörte ich ein Krachen, und als ich mich wieder verängstigt umblickte, sah ich, dass sich Ramóns Pferd aufgebäumt hatte und scheute. Es weigerte sich, ins Gebüsch hineinzugaloppieren, obwohl Ramón heftig an den Zügeln zerrte. Der andere Mann, der Aufseher, überholte ihn und preschte den felsigen Hügel hinauf. Doch sein Pferd geriet auf dem lockeren Untergrund ins Rutschen.
Oben angekommen, stellte ich zu meinem Entsetzen fest, dass ich nicht weiter konnte. Eine Schlucht versperrte mir den Weg. Sie war zu steil, um hinunterzuklettern, und zu tief, um zu springen. Verzweifelt lief ich an der Felskante auf und ab. Unten hatte Ramón sein Pferd zum Stehen gebracht. Er zeigte mit dem Finger auf mich, da ich mich deutlich von der Felskante abhob. Dann rief er dem Aufseher etwas zu. Ich konnte den Aufseher zwar nicht sehen, aber ich hörte, wie er zu Fuß unter mir durch die Büsche hastete. Vor mir erhob sich der Hügel gute fünfzehn Meter über dem Wasser. Wenn ich es den Abhang hinauf schaffte, konnte ich vielleicht den Fluss erreichen.
Als ich die Felskante entlangeilte, stolperte ich, fiel hin und stürzte kopfüber den Hügel hinunter und zurück ins Gebüsch. Obwohl der Aufprall ziemlich heftig war, spürte ich vor lauter Angst keine Schmerzen. Ich kroch zurück zum oberen Rand des Gebüschs, wo ich vor Blicken einigermaßen sicher war, und beschloss, nicht zur Felskante zurückzukehren, denn dort konnte man mich schon von weitem erkennen.
Das Rascheln des Aufsehers im Gebüsch trieb mich weiter. Ich besaß zwar ein kleines Messer von der Größe, die einem Mestizen gestattet war, glaubte aber nicht, dass es mir gelingen würde, mich damit gegen diesen Mann zur Wehr zu setzen. Der spanische Aufseher war nicht nur größer und stärker als ich, der magere fünfzehnjährige Mestizenjunge, sondern dazu auch noch mit einem Schwert bewaffnet.
Auch Ramóns gebrüllte Befehle an den Aufseher, mich zu stellen, verliehen meinen Füßen Flügel. Wie von wilden Furien gehetzt rannte ich durchs Gebüsch und stolperte immer wieder über Felsbrocken.
Der Hang war inzwischen fast senkrecht, sodass meine Füße den Halt verloren. Kopfüber fiel ich über einen Felsrand, stürzte etwa zwei Meter in die Tiefe und landete auf dem Rücken. Bewegungsunfähig und nach Luft ringend blieb ich liegen. Als ich hörte, wie ein Mann durchs Gebüsch brach, rappelte ich mich taumelnd auf, aber zu spät.
Der Aufseher, ein hoch gewachsener, magerer Mann, hatte ein gerötetes
Weitere Kostenlose Bücher