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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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ein Traum gewesen.«
    Er zog einen neuen Weinschlauch hervor. Die Schauspielerei machte offenbar wirklich durstig.
    »Sein Vater, der König, hatte sich schwer getäuscht. Er glaubte, er könnte dem Schicksal entrinnen, indem er den Prinzen in Ketten legte. Doch keiner von uns kann die Schicksalsgöttinnen betrügen. Als polnische Patrioten hören, dass der König den Herzog von Moskau als Thronerben einsetzen will, stürmen sie den Gefängnisturm und befreien den Prinzen. Eine Armee von Ausgestoßenen erobert den Turm und ruft Segismundo zu: ›Die Freiheit erwartet dich! Hör ihre Stimme!‹
    Da der Prinz denkt, dass das Leben nur ein Traum ist, sagt er sich, dass er es in vollen Zügen auskosten muss. Er verkündet, alle Macht sei nur geborgt und müsse ihrem rechtmäßigen Besitzer zurückerstattet werden. Der Prinz führt seine Lumpenarmee gegen das Heer seines Vaters, des Königs. An seiner Seite ist die schöne Frau, die sich am Herzog rächen will. Sie hat die Männerkleider abgelegt und zieht nun als Frau, allerdings bewaffnet mit einem Schwert, in die Schlacht.
    Der König stellt fest, dass er gegen das aufgebrachte Volk machtlos ist. ›Wer kann die Wut eines wilden Hengstes zügeln?‹, fragt er. ›Wer kann die Strömung eines Flusses aufhalten, der stolz und ungestüm dem Meer entgegenstürmt? Wer kann einem Felsen trotzen, der vom Gipfel des Berges ins Tal hinabrollt?‹ All diese Naturgewalten, so sagt er, seien leichter zu bändigen als die entfesselte Wut der Menge.«
    Mateo verstummte und musterte mich aus glasigen Augen. »Der König verkündet: ›Der Thron ist ein Schreckensbild geworden, eine blutige Bühne, auf der die Unglücksbotinnen jede unserer Handlungen verspotten.‹«
    Er setzte den Weinschlauch an und legte den Kopf in den Nacken. Dann warf er den Schlauch beiseite und sank mit halb geöffneten Augen auf den Rücken.
    Da es kühl wurde, beugte ich mich über das Feuer, um mir die Hände zu wärmen, während ich auf das Ende der Geschichte wartete. Ich war neugierig darauf, wie sie ausgegangen war. Hatte der Prinz gesiegt? Hatte er seinen Vater getötet? Hatte die schöne Kriegerin sich an dem Herzog gerächt?
    Ich hörte ein Schnarchen und fragte mich, zu welcher der handelnden Personen dieses seltsame Geräusch wohl gehörte. Doch nach einer Weile wurde mir klar, dass Mateo nicht spielte. Er war eingeschlafen.
    Mit einem enttäuschten Seufzer erhob ich mich, um das Lager des Pícaro zu verlassen. Nun wusste ich genauso wenig über das Schicksal von Prinz Segismundo wie zuvor.
    Als ich mich umdrehte, sah ich einen Mann zwischen den Lagerfeuern herumschleichen. Bei jedem Schlafenden blieb er stehen, um einen Blick auf ihn zu werfen. Ich kannte den Mann zwar nicht, doch allein die Tatsache, dass er jemanden suchte, genügte, um mir Angst einzuflößen.

19
    Am nächsten Morgen packten die beiden Brüder ihre Sachen zusammen, um den Markt zu verlassen. Bruder Antonio nahm mich beiseite und sagte: »Du kannst nicht nach Veracruz zurückkehren, solange Ramón und die Dame noch dort sind. Wir werden auf der Heimreise einen Umweg machen und dir eine Unterkunft bei einem alten Freund besorgen, der Priester für einige Indiodörfer auf einer großen Hacienda ist. Dort kannst du bleiben, bis wir wissen, was wir mit dir anfangen sollen.«
    »Ich könnte ja als Pícaro mein Glück versuchen«, erwiderte ich mit einem spöttischen Lächeln.
    Doch Bruder Antonio fand meinen Scherz überhaupt nicht witzig und schüttelte bedrückt den Kopf. »Ich habe mit dir einen Fehler gemacht. Du hättest eine Ausbildung als Hausdiener oder als Kuhhirte auf einer Hacienda erhalten sollen. Doch ich habe dich Platon und Homer lesen lassen, anstatt dir zu zeigen, wie man einen Stall ausmistet. «
    »Das war kein Fehler. Ich habe keine Lust, Mist zu schaufeln.«
    »Trotzdem musst du vorsichtig sein. Jemand auf dem Markt könnte nach dir suchen. Wenn sie mich sehen, werden sie weiter nach dir Ausschau halten. Also dürfen wir uns nicht zusammen blicken lassen. Da Juan für seine Kirche noch einige Dinge besorgen muss, werden wir noch ein paar Stunden bleiben. Um die Mittagszeit treffen wir uns zehn Kilometer weiter auf der Straße nach Veracruz, dort, wo sie sich teilt.«
    Ich trank Wasser aus dem Fluss und stahl eine Mango für mein Frühstück. Während ich in den Markt hineinschlenderte, verspeiste ich die Frucht. Der Markt war zwar noch nicht vorbei, doch die Händler, die ihre Waren verkauft hatten, packten

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