Das Blut der Azteken
Gesicht, kurzes rotes Haar und einen ebensolchen Bart. Als er auf die kleine Lichtung gestürmt kam, waren sein Gesicht und sein Wams schweißnass, und sein Atem ging schwer. Sein wölfisches Grinsen hob sich weiß von seinem scharlachroten Bart ab. Er hatte sein Schwert gezückt. »Jetzt schneide ich dir das Herz aus dem Leibe, Kleiner«, sagte er.
Als er einen Schritt auf mich zumachte, wich ich zurück. Ich hörte, dass Ramón ihm ins Gebüsch gefolgt war. Der Aufseher drehte sich um, um ihn zu begrüßen -doch es war nicht Ramón. Vor dem Aufseher stand, das Schwert in der Hand, der Pícaro Mateo.
»Was wollt Ihr?« Der Aufseher nahm Kampfhaltung ein und drohte mit seinem Schwert.
Mateos Schwert blitzte auf. Die Bewegung war so schnell, dass ich ihr nicht mit dem Auge folgen konnte. Der Aufseher hatte nicht einmal Zeit, den Hieb abzuwehren. Er stand einfach da wie ein Ölgötze. Dann fiel sein Kopf herunter, landete auf dem Boden und sprang noch einmal hoch. Sein Körper sackte in sich zusammen.
Ich starrte in die aufgerissenen Augen des Aufsehers, in denen sich immer noch Erstaunen malte. Mateo wies auf den Damm hinter mir, der zum Fluss führte. »Der Fluss! Los!«
Wortlos machte ich kehrt und fing an zu rennen. Obwohl der Fluss mehr als fünfzehn Meter unter uns lag, zögerte ich keinen Moment. Schwer wie ein aztekischer Altarstein traf ich auf dem Wasser auf nur mit dem Unterschied, dass ich wieder an die Oberfläche getragen wurde. Die schäumende Strömung spülte mich flussabwärts. Trotz des dröhnenden Flusses konnte ich hören, wie Ramón nach seinem Aufseher rief.
20
Da ich nicht wusste, wohin, befolgte ich die Anweisungen von Bruder Antonio und erwartete ihn an der Weggabelung. Endlich kam er auf einem Maultier angeritten. Bruder Juan war nicht bei ihm, und auch die Satteltaschen meines Freundes fehlten. Die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Du hast einen Mann getötet. Du hast ihm den Kopf abgeschlagen.«
»Das habe ich nicht.« Ich erklärte Bruder Antonio, was geschehen war.
»Das spielt keine Rolle. Man gibt dir die Schuld. Steig auf.« Er half mir auf das Muli und trieb das Tier zur Eile an.
»Wohin reiten wir?«, fragte ich.
»Zurück nach Veracruz.«
»Du hast doch gesagt…«
»Ein Spanier ist tot, und man hält dich für den Täter. Keiner meiner Freunde ist bereit, einem Mestizen Schutz zu gewähren, der wegen eines solchen Verbrechens gesucht wird. Man wird dich jagen, und wenn man dich findet, wird man dich töten. Ein Mestize bekommt keine Gerichtsverhandlung.«
»Was soll ich tun?«
»Wir müssen zurück in die Stadt. Unsere einzige Hoffnung ist, dass ich die Dame finde, bevor sie abreist. Vielleicht kann ich sie überzeugen, dass ihr von dir keine Gefahr droht. Während ich das versuche, wirst du dich bei deinen lépero -Freunden verstecken. Wenn alles fehlschlägt, schaffen wir dich auf eines der Boote, das Waren die Küste hinunter nach Yucatán, das Land der Mayas, bringt. Das ist der wildeste Teil von Neuspanien. Wenn du dort im Dschungel untertauchst, würde eine Armee dich nicht finden. Ich werde dir so viel Geld geben, wie ich erübrigen kann. Mein Sohn, du darfst nie wieder nach Veracruz zurückkehren. Für ein Halbblut, das einen Spanier umbringt, gibt es kein Vergeben.«
Bruder Antonio war vor Angst außer sich. Ich beherrschte die Sprache der Mayas nicht und kannte mich in der Wildnis nicht aus. Wahrscheinlich würden mich die Eingeborenen verspeisen, wenn ich auch nur einen Fuß in den Dschungel von Yucatán setzte. In einer Stadt konnte ich wenigstens Lebensmittel stehlen - im Dschungel hingegen würde ich gefressen werden. Das erklärte ich Bruder Antonio.
»Dann flieh in die Indiogebiete, wo du dich auf Náhuatl oder in einem ähnlichen Dialekt verständigen kannst. Es gibt dort Hunderte von Dörfern.«
Ich war kein Indio. Die Dorfbewohner würden mich nicht aufnehmen. Doch Bruder Antonios Furcht hinderte mich daran, meine eigene Angst zu zeigen. Ich lehnte mich an seinen Rücken, als das Maultier einen Hügel hinabtrottete, und ich spürte, wie der Bruder erschauderte.
»Ich hätte dich nie aufziehen sollen. Ich hätte nicht versuchen sollen, deiner Mutter zu helfen. Es hat mich mein Priesteramt gekostet, und jetzt verliere ich deshalb vielleicht noch mein Leben.«
Warum hatte es ihn das Priesteramt gekostet, meiner Mutter zu helfen? Und warum waren Ramón und die Dame hinter mir her?
Als ich ihm diese Fragen stellte, erwiderte er nur:
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