Das Blut der Azteken
für die bedeutendsten Kriegerkasten des Aztekenreiches - die große Raubkatze beherrschte den Boden, während der Adler der König des Himmels war.
Die Ritter bekämpften sich mit hölzernen Schwertern und Schilden und hieben heftig aufeinander ein; offenbar bestand das einzige Ziel darin, sich gegenseitig eine Abreibung zu verabreichen, da man sich mit diesen Schwertern nicht ernsthaft verletzen konnte.
Während ich den Schaukampf beobachtete, entdeckte ich einen Mann, mit dem ich einmal auf dem Markt in Streit geraten war. Mit finsterem Blick stand er in der vordersten Reihe der Zuschauer. Das schwarze, dreckverkrustete, fettige und zweifellos übel riechende Haar hing ihm hinab bis zur Hüfte.
Als ich das Schauspiel weiterverfolgte, stellte ich etwas Merkwürdiges fest: Die Kämpfer prügelten sich, bis einer von ihnen aus einer kleinen Wunde an Hand, Gesicht oder Beinen blutete. Dann verließen beide, der Sieger und der Verletzte, die Arena. Ich fand es seltsam, dass der Sieger den Hellseher jedes Mal fragend ansah, worauf dieser zustimmend nickte.
»Mestize, man wird dir das Herz aus dem Leibe reißen, wenn sich die Jaguare erheben. «
Diese anonyme Drohung fiel mir ein, als der Hellseher den Kämpfern wortlos seinen Segen erteilte. Im Gegensatz zu meinem Zauberer, einem weisen Mann, der über geheime Kenntnisse verfügte, strahlte dieser Hellseher eine abgrundtiefe Böswilligkeit aus.
Ich starrte ihn finster an, als er plötzlich den Kopf hob und meinen Blick auffing. Sofort wich ich zurück und wandte mich ab, denn ich fühlte mich wie von einer Schlange fixiert. Als ich noch einmal heimlich hinschaute, stellte ich fest, dass er mich weiterhin beobachtete.
Er hatte böse Augen, die sich durch einen Stein brennen konnten. Ich wusste nicht, ob er mich wieder erkannte oder ob er meine verächtliche Miene bemerkt hatte. Allerdings war ich ziemlich sicher, dass er sich nicht an mein Gesicht erinnerte. Seit dem Tag auf dem Markt waren über zwei Jahre vergangen, und ich hatte damals nur kurz mit ihm gesprochen.
Dennoch hatte ich offenbar seine Aufmerksamkeit erregt, und da ich bemüht war, nicht aufzufallen, schlängelte ich mich durch die Reihen der Kämpfer, um mich aus dem Staub zu machen. Als ich vom Schauplatz des Kampfes eilte, kam ein Mönch auf einem Maultier auf den Platz geritten. Er wurde von einem Indio auf einem anderen Maultier begleitet, der etwas an einem Seil hinter sich herzog. Die beiden ritten in die Arena, woraufhin die Kämpfenden auseinander stoben. Da erkannte ich, was der Indio hinter sich herschleppte: eine Leiche.
Der Priester zügelte den Maulesel und wandte sich mit lauter Stimme an die Menge. »Dieser Mann«, er wies auf den Toten, »ist gestern gestorben und wurde nicht nach den Regeln der Kirche beigesetzt. Stattdessen hat man Gott gelästert und ihn nach heidnischem Ritus beerdigt.«
Er hielt inne, damit seine Worte wirken konnten.
»Ich habe von dieser Schändlichkeit nur erfahren, weil es auch Indios gibt, die Gott verehren und es mir melden, wenn eine solche Ketzerei stattfindet. Man hat seine Leiche wieder ausgegraben. Nun wird sie durch alle Straßen dieser Gemeinde geschleppt, damit ihr seht, was mit denen geschieht, die Gott und die Diener der Kirche schmähen.«
Ich hatte Bruder Antonio von diesem barbarischen Brauch erzählen hören. Seiner Ansicht nach waren die meisten Priester gar nicht so verärgert darüber, dass ein Sünder ohne den Segen der Kirche beerdigt wurde. Ihr Groll richtete sich eher dagegen, dass sie auf den Lohn für eine christliche Bestattung hatten verzichten müssen.
Ich machte mich davon und hoffte, dem alten Hellseher nicht noch einmal in die Arme zu laufen.
38
Um Mitternacht kehrte ich zu dem Zauberer in unser Lager zurück. Bevor ich es mir mit meiner Decke auf dem Boden bequem machte, ging ich ins Gebüsch, um mich zu erleichtern. Da wir uns auf einer Anhöhe niedergelassen hatten, hatte ich einen guten Blick auf die Stadt unter uns. Der Vollmond erhellte die Nacht und tauchte Straßen und Häuser in einen gespenstischen Schein. Auf dem Friedhof zuckten Kerzenflammen wie Glühwürmchen, und Musik drang zu mir hinauf.
Eine Weile saß ich da, betrachtete die Stadt und fühlte mich immer einsamer. Inzwischen war der Zauberer - wie damals Bruder Antonio - für mich eine Art Vater geworden, auch wenn sie beide nicht meine leiblichen Väter waren. Außerdem hatte ich nie ein wirkliches Zuhause kennen gelernt. Und ich fragte mich, wie es
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