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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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die Indianerin in Schande in ihr Dorf zurückschickte.
    Die spanische Dame liebte Pferde und ritt gern auf dem riesigen Besitz ihres Mannes aus. Eines Tages hörten die Kuhhirten sie schreien - sie war von einem Jaguar angegriffen worden. Die Kuhhirten erlegten den Jaguar, bevor er sie töten könnte. Als das Tier sterbend am Boden lag, verwandelte es sich in das betrogene Indianermädchen.«
    »Ein naualli hatte sie in einen Jaguar verzaubert.« Ich lachte auf. »Das klingt für mich wie ein Indiomärchen.«
    »Mag sein. Aber du hast dem Jaguar letzte Nacht eine Schnittwunde im Gesicht beigebracht. Der naualli hatte heute einen Schnitt im Gesicht. Vielleicht solltest du ihn fragen, wo er sich verletzt hat.« Er wies nach links.
    Flankiert von zwei dunkelhäutigen Indios, die ich vom gestrigen Schaukampf erkannte, kam der böse alte Hellseher die Straße entlang. Er hatte eine hässliche Schnittwunde im Gesicht.
    Wortlos stolzierte er an mir vorbei, und weder er noch seine Gehilfen würdigten mich eines Blickes. Doch ich spürte, wie Hass und Feindseligkeit mir entgegenschlugen. Vor lauter Angst zitterte ich wie ein neugeborenes Fohlen, das zum ersten Mal auf den Beinen steht.
    Unterwegs gluckste und murmelte der Zauberer eine Stunde lang vor sich hin. Zum ersten Mal erlebte ich ihn so aufgeregt. Trotz seiner heftigen Abneigung gegen den naualli schien er, rein beruflich betrachtet, Respekt vor ihm zu haben.
    »Heute musst du den Göttern ein zusätzliches Blutopfer darbringen«, sagte er schließlich und schüttelte traurig den Kopf. »Du solltest nie über die Aztekengötter spotten.«

40
    Auf unserer Wanderschaft hörte ich noch zweimal von der Suche nach dem lépero, der in Veracruz einen Priester getötet hatte, aber inzwischen hatten sich die Geschichten in Legenden verwandelt. Der lépero wurde nicht nur als mehrfacher Mörder, sondern auch als Straßenräuber und Frauenschänder gesucht. Da inzwischen einige Jahre vergangen waren, hatte meine Angst vor Entdeckung nachgelassen, und ich fand die Berichte über die Gräueltaten des berüchtigten Banditen Cristo el Bastardo fast amüsant. Allerdings war ich, wenn wir uns größeren Städten und Haciendas näherten, stets darum bemüht, mich als Indio auszugeben.
    Trotz der Legenden ließ sich der Umstand nicht leugnen, dass mein Pflegevater umgebracht worden war. Seit der schrecklichen Tat schwor ich jede Nacht den grausigen Eid, an dem Mörder Rache zu üben.

41
    An meinem achtzehnten Geburtstag besuchte ich mit dem Zauberer einen Markt. Auch hier wurden Waren verkauft, die mit einem Schiff eingetroffen waren, doch der Markt war um einiges kleiner als er in Jalapa. Außerdem stammten die Güter nicht aus Europa, sondern aus Manila, auf der anderen Seite des großen westlichen Meeres. Jedes Jahr fuhren Galeonen, schwimmende Burgen, manchmal im Verband, manchmal allein, zwischen Acapulco und Manila hin und her.
    Die Überfahrt von Manila dauerte viel länger als die von Spanien. Bruder Antonio hatte mir die beiden Meere auf einer Weltkarte gezeigt. Bis nach Manila war es um ein Mehrfaches weiter als von Veracruz nach Sevilla. Auf der anderen Seite des westlichen Meers, das auf Bruder Antonios Karte Südsee hieß, lagen die Inseln namens Philippinen. Von diesem Außenposten aus wurde Handel mit einem Land betrieben, das China hieß. Dort gab es mehr Menschen mit gelber Haut als Sand am Meer.
    Die Ereignisse in Veracruz lagen einige Jahre zurück und hatten sich viele Kilometer entfernt zugetragen. Also hielt ich es für ungefährlich, auf den Markt zu gehen, und offen gestanden freute ich mich darauf, wieder unter Spaniern zu sein. Drei Jahre lang lebte ich nun schon unter Indios. Ich hatte zwar viel gelernt und musste noch eine Menge Wichtiges in Erfahrung bringen, aber ich wollte auch mehr über meine spanische Herkunft wissen.
    Ich war stark gewachsen und hatte über zwanzig Kilo zugenommen. Zwar war ich immer noch groß und schlank, aber wegen des guten Essens, das der Zauberer mir gab, nicht mehr so mager. Im Armenhaus hatte ich mich hauptsächlich von Tortillas und Bohnen ernährt, doch auf meinen Wanderschaften mit dem Zauberer frönten wir oft der Völlerei. Häufig waren wir zu Dorffesten eingeladen, auf denen wir uns an Hühnchen, Schweinefleisch, Entenbraten und köstlichen Indiogerichten wie mole - einer scharfen Sauce aus Schokolade, Chilischoten, Tomaten, Gewürzen und gemahlenen Nüssen - gütlich taten. Kein König speiste besser als der Zauberer

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