Das Blut der Berge (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
hoffen oder zumindest darauf, dass es vielleicht einigen Frauen und Kindern gelang zu entkommen. Er hatte von den Schatten gehört. Ihrer Überzahl, ihrer völligen Ausrichtung auf den Kampf, ihren furchterregenden Waffen. Doch das waren nur Geschichten für ihn gewesen. Geschichten, die von Mund zu Mund immer mehr ausgeschmückt worden waren. Er hatte immer geglaubt, dass die Männer der Berge zu stark für einen Überfall waren. Immer geglaubt, dass sie sicher waren. Bis zu dieser Nacht.
Lantan sah nicht, dass er von drei bewaffneten Männern umgeben war. Er sah auch nicht, dass seine Sippe nur noch verzweifelt das unvermeidliche Ende hinauszuzögern versuchte und dass die Frauen sich mit Messern und Fackeln auf die Angreifer stürzten und es keine Hoffnung mehr gab.
Lantan sah nur seine verletzte Frau am Boden und eine fremde Frau, die seinen weinenden Sohn davon trug. Er sah sie allein wie durch einen ausgehöhlten Knochen und er hörte nur seinen Sohn. Wild vor Zorn stürzte er der Frau hinterher. Niemand tat Ilaa weh. Niemand fasste seinen Sohn an. Die drei Männer griffen ihn an, ein Schlag brachte ihn kurz aus dem Gleichgewicht, doch er fiel nicht. Blinde Wut hielt ihn aufrecht. Wie von einer Horde Bienen verfolgt schlug und trat er in alle Richtungen, rammte einem Gegner sein Messer direkt in die Kehle und brachte einen weiteren mit einem gezielten Fausthieb ins Wanken. Doch der Dritte rang ihn nieder. Der Zweite hatte sich wieder gefasst und kam hinzu. Zu zweit drückten sie ihn auf den Boden und einer zog ein Messer. Lantan bewegte sich mit aller Kraft in Richtung seines Sohnes. Er spürte die Männer nicht, er sah das Messer nicht, er zog und zerrte nur vorwärts, immer vorwärts. Aber es war so schwer. Plötzlich hörte er über sich ein Stöhnen. Und es wurde leichter. Das holte ihn kurz aus seinem Wahn, die Bilder vor ihm bewegten sich wieder. Er sah wie Ilaa langsam aufstand und dann der Frau hinterherlief, die ihren Sohn hielt. Er hörte Schreie. Über ihm rief jemand etwas. Und es wurde wieder leichter. Er sprang auf. Ein Mann lag keuchend mit einem Pfeil in der Brust am Boden, ein anderer rannte in Richtung Wald. Lantan nahm dem getroffenen Mann das Messer aus der Hand und folgte seiner Frau.
Telgar horchte auf. Schreie. Aber andere Schreie als die der kämpfenden, verletzten und sterbenden um ihn herum. Und dann geschahen drei Dinge zur gleichen Zeit. Für Telgar hielt die Welt kurz an, stumm und taub folgte er seinen Instinkten und den bewegten Bildern, die er noch wahrnahm. Die drei Schatten, die ihn und seinen Sohn gerade einkreisten, wurden zu dunklen Schemen. Einer schwang seine Waffe nach Tisgar. Er traf ihn mit voller Wucht ins Gesicht und Telgar sah wie der Körper seines Sohnes in sich zusammenfiel und geräuschlos zu Boden sackte. Zur gleichen Zeit hielten die beiden anderen Schatten inne und wandten sich in die Richtung, aus der die Laute gekommen waren. Telgar zögerte nicht. Er schwang die Axt nach dem Mann, der ihm am nächsten war und erwischte ihn am Kopf. Der Gegner stürzte und Telgars nächster Hieb traf den anderen Mann in die Seite. Dieser taumelte und entschwand dann in der Dunkelheit. Telgar wandte sich noch einmal dem ersten Mann zu, um sicher zu gehen, dass dieser nicht mehr aufstehen würde. Erst dann richtete er seinen Blick dorthin, wo die Schreie hergekommen waren. Einen Moment lang schien sich nur eine dunkle Masse zu bewegen. Doch dann sah er sie. Und er hörte sie. Aus der düsteren Nacht stürmten sie mit erhobenen Waffen heran. Tamboo und seine Jäger.
Tamboo war noch wach gewesen und zusammen mit einem seiner Jäger hatte er die Signale gehört. Er hatte seine Männer geweckt und nach kurzer Überlegung beschlossen nachzusehen, was in Telgars Lager passierte. Sein Sohn Tiboo und ein weiterer Jäger waren zurückgeblieben, um das eigene Lager zu sichern. Auf halbem Weg war ihnen Pinaa entgegen gekommen, verzweifelt um Hilfe bittend. In wenigen Worten hatte sie geschildert, was passiert war und für Tamboo stand außer Frage, dass sie helfen würden. Egal, was zwischen ihnen und Telgars Männern stand, er würde niemals zulassen, dass Plünderer und Mörder eine andere Sippe vernichteten. Er durfte Menschen nicht sterben lassen, denen er helfen konnte. Und schließlich erreichte ihn auch ein anderer Gedanke. Nur leise und im Hintergrund, aber doch vorhanden. Wenn er die Sippe rettete, war es für diese unmöglich, ihn nicht an dem Handel mit den Steinen
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