Das Blut der Berge (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
vorstellen.“ Tisgar lächelte. „Vielleicht hast du recht.“ sagte er. „Aber ich freue mich auf mein Kind.“ „Ihr bekommt ein Kind?“ Haroo klang überrascht. „Wann denn? Ich hätte Pinaa dann aber nicht allein gelassen.“ „Es war erst am Anfang.“ beruhigte Tisgar. „Es wird noch einige Mondzyklen dauern. Pinaa schafft das. Und wir sind ja bald zurück.“ „Dann werden wir nicht mehr zusammen losziehen können.“ Haroo beobachtete ein Blatt, das langsam vom Baum herunter auf ihn zu schwebte und schließlich auf seiner Brust landete. „Bedauerst du das nicht?“ „Nein.“ Tisgar schüttelte den Kopf. „Ein Kind zu haben ist auch schön und aufregend. Und solange es noch klein ist, wird Pinaa für es sorgen, da können wir schon noch zusammen unterwegs sein. Sie weiß, dass ich mich vor allem um meine Berufung als Beschwörer und zukünftiger Anführer kümmern muss.“ „Ich nicht.“ seufzte Haroo. Er nahm das Blatt in die Hand und betrachtete es abwesend. „Obwohl es gut möglich ist, dass Tiboo in eine Grube fällt und von einem Bären gefressen wird.“ Sie lachten beide bei der Vorstellung. „Dann müsste ich mich um seine Frau und Kinder kümmern.“ fuhr Haroo fort. „Vielleicht ein Grund, sich schnell selbst um eine Frau zu bemühen. Ishara ist wirklich schön, aber eben nicht meine Frau. Und ich will auch nicht das Kind von meinem Bruder großziehen.“ „Wärst du gern der Älteste?“ fragte Tisgar. „Ich glaube nicht.“ antwortete Haroo. „Ich bin kein geborener Anführer. Ich habe noch niemals Bilder empfangen. Man muss viele Erwartungen erfüllen, ist noch mehr Menschen verpflichtet.“ Er riss kleine Stücke von dem Blatt ab und sah Tisgar an. „Allein, dass man so lange Kinder bekommen muss, bis ein Junge dabei ist. Nein, das ist nichts für mich.“ „Ja, einfach wird es sicher nicht.“ stimmte Tisgar zu. „Mein Vater muss sich um viele große und kleine Probleme kümmern, viele Entscheidungen treffen. Die Sippe leiten, schützen und versorgen, das ist eine schwere, aber auch schöne Aufgabe. Und dennoch wird er die Last dieses Überfalls immer mit sich tragen.“ Haroo nickte. „Ich hätte nichts gegen viele Kinder.“ fuhr Tisgar fort. „Aber ich hoffe, dass mir meine Frau gleich einen Jungen schenkt. Ich möchte ihm so gerne alles zeigen und beibringen.“ „Ich wünsche für dich, dass es ein Junge wird.“ sagte Haroo. Sie sprachen noch eine Weile von ihren Familien, dann fielen sie in einen traumlosen Schlaf.
Beide erwachten am nächsten Morgen wieder erstarkt und brachen mit neuem Tatendrang auf, um nach Pinaas Wolf zu suchen. Schnell fanden sie den Weg zurück und die von Haroo markierte Stelle, wo sich die Schatten voneinander getrennt hatten, und folgten den weiteren Spuren. Diese waren schwer zu finden, was ihr Vorankommen stark verlangsamte und so waren sie nicht sehr weit gekommen, als die Sonne sich zur Ruhe begeben wollte. Aber sie wussten, dass sie sich nicht beeilen mussten.
Das erste Mal in ihrem Leben zweifelte sie. An ihrer Stärke, ihrer Bestimmung, ihren Möglichkeiten. Sie war hungrig, müde und etwas orientierungslos. Ein Schatten ihrer selbst. Ha! Der Schatten eines Schattens. Der Wolf konnte kaum noch laufen. Die Pfote war geschwollen. Sie hatten es nur einmal geschafft, etwas Fleisch in Form eines bereits verletzten Vogels zu ergattern, ansonsten ernährte sie sich von Beeren und Wurzeln und der Wolf hungerte. Es lief nicht gut und sie hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Zum ersten Mal fühlte sie sich wirklich schwach. Hilflos. Sie war ein Schatten. Aufgewachsen unter Kämpfern. Unter Menschen, die keine Angst und kein Mitleid kannten. Sie hatte gelernt, gegen Männer zu bestehen, Kälte und Schmerz zu ertragen und sich ganz auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sie war die Frau des Anführers gewesen. Und hatte selbst danach gestrebt, die Gruppe zu führen. Das alles kam ihr jetzt sehr unwirklich vor. Und sie wünschte sich zurück. Wünschte sich wieder in ihre Mitte. Sie war nicht immer ein Schatten gewesen. War nicht bei ihnen geboren, sondern einer anderen Sippe geraubt worden. Doch sie war noch ein kleines Kind gewesen und konnte sich nicht mehr genau erinnern. Sie wusste nur noch, dass sie auch ihren Bruder geraubt hatten und dass sie zuerst zusammen bei der Gruppe aufgewachsen waren. Aber dann trafen sie auf eine andere Gruppe. Einige aus der anderen Gruppe blieben bei ihnen. Und einige aus ihrer Gruppe gingen mit
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