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Das Blut der Lilie

Titel: Das Blut der Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Erinnerung hatte.
    Â»Ich dachte …«, beginnt er und schüttelt dann den Kopf. »Ich
weiß nicht, was ich dachte. Du hast Paris doch immer so gemocht.«
    Darauf erwidere ich nichts. Ich mag Paris immer noch. Paris
ist nicht das Problem, das wissen wir beide. Aber darauf werde ich nicht
eingehen. Wenigstens ein Mal werde ich den Mund halten. Weil ich unbedingt
möchte, dass er Ja sagt.
    Â»Na schön. Aber nur unter einer Bedingung: Der Entwurf muss
gut sein. Er muss sogar exzellent sein, um dich aus der misslichen Lage zu
befreien, in die du dich selbst gebracht hast. Ich möchte erstklassiges Material
sehen, kein drittklassiges. Bist du immer noch entschlossen, diese Idee mit der
musikalischen DNA zu verfolgen? Mit PowerPoint?«
    Â»Ja, das bin ich.«
    Â»Dann möchte ich einen guten, stichhaltigen Entwurf der
Einleitung sehen und die Gliederung. Damit ich beurteilen kann, worauf das
Ganze hinauslaufen soll. Zusätzlich zu der Gliederung möchte ich eine
allgemeine Bibliographie, Primärquellen und eine Aufstellung des Bildmaterials,
das du zu verwenden gedenkst.«
    Oje. Einleitung und Gliederung. Bis zum Sonntag.
    Â»Einleitung und Gliederung. Ist das abgemacht?«, fragt er.
    Â»Versprochen«, sage ich. Und meine es auch so. Und zwar so
ernst, dass ich die Vinaccia in den Koffer zurücklege und eines von G.s Büchern
über Malherbeau aufgeschlagen habe, noch bevor Dad seinen Mantel zugeknöpft
hat.
    Auf dem Weg zur Tür bleibt er stehen. »Freut mich, dass es
etwas gibt, was dich motivieren kann«, sagt er. »Und sei es auch nur die Vorstellung,
von mir wegzukommen.«
    Ich versuche, etwas zu erwidern. Etwas Nettes, aber nichts so
furchtbar Verlogenes, dass es uns beiden peinlich wäre.
    Aber es ist zu spät. Die Tür schlägt zu. Das Geräusch hallt
durch den Raum.
    Er ist fort. Wieder einmal.
    Â Â 17  
    â€¦ also sehen wir, dass 1795 für Malherbeau
tatsächlich einen Wendepunkt markierte, denn in diesem Jahr löste er sich von
den musikalischen Konventionen seiner Zeit und fand zu seinem ganz eigenen
Kompositionsstil. Wie? Warum 1795? Diese Fragen wurden bis heute nicht
beantwortet. Wir wissen nichts über Malherbeaus früheres Leben, seine Eltern,
seine Geburtsstadt und seine musikalische Erziehung. Wir wissen nur, dass er im
Herbst 1794 nach Paris kam und von da an seinen Lebensunterhalt als
Theaterkomponist verdiente.
    Im folgenden Kapitel beschäftigen wir uns mit
    einem frühen Werk – dem Konzert in a-Moll , auch als Feuerwerkskonzert bekannt. Warum Malherbeau dieses Stück so
benannte, ist genauso wenig bekannt wie vieles andere über den Komponisten. Im
Gegensatz zu Händels Feuerwerksmusik etwa, die der britische König Georg II. in Auftrag gab, um das Ende des Spanischen Erbfolgekriegs zu
    begehen, wurde das Feuerwerkskonzert weder von einem König in
Auftrag gegeben noch anlässlich eines Staatsakts aufgeführt. Obwohl das Konzert
nicht über die Reife und Raffinesse seiner späteren Werke verfügt, ist es
dennoch von einzigartiger Bedeutung. Das Feuerwerkskonzert wurde im Sommer 1795 in Malherbeaus Wohnung im
Marais komponiert und markiert den Beginn seiner plötzlichen und verblüffenden
harmonischen Neuorientierung.
    Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück. Mein Magen knurrt.
Ich sehe auf die Uhr. Es ist fast drei, und ich habe den ganzen Tag noch keinen
Bissen gegessen. So sehr war ich mit Lesen beschäftigt. Um mich erst einmal
grundlegend über Malherbeau zu informieren.
    Er ist ein Rätsel. In den Büchern steht viel über seine
Musik, aber ziemlich wenig über den Mann selbst. Im Alter von neunzehn Jahren
tauchte er in Paris auf, schrieb vornehmlich leichte Musik für einige Theater
der Stadt, und fing dann an die Stücke zu komponieren, die ihn berühmt gemacht
haben. Er war nie verheiratet, hatte keine Kinder und verdiente bis zu seinem
vierzigsten Lebensjahr genügend Geld, um sich ein luxuriöses Haus am Bois de
Boulogne zu kaufen. Er starb im Alter von achtundfünfzig Jahren und hinterließ
das Haus dem Pariser Konservatorium.
    Das ist ein Anfang, aber ich brauche sehr viel mehr, sonst
komme ich am Sonntag nicht von hier weg, und ich habe mein Ticket bereits
gebucht. Einen normalen Flug konnte ich so kurzfristig nicht bekommen, keine
Maschine, die am Morgen abfliegt und am selben Tag in New York landet. Ich
konnte bloß einen Flug

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