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Das Blut der Lilie

Titel: Das Blut der Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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finden, bei dem ich um neun Uhr früh in Orly starte und
in Dublin sieben Stunden Aufenthalt habe. Das wird ein Albtraum, aber entweder
nehme ich das in Kauf oder ich warte bis zum Dreiundzwanzigsten, was ein noch
größerer Albtraum wäre.
    Also … wo kann ich noch etwas über Malherbeau finden?
    Der alte Gitarrenkoffer liegt auf der anderen Seite des Tischs.
Ich ziehe ihn zu mir herüber, sodass ich an dem Schloss herumfummeln kann,
während ich nachdenke. G. sagte, es gebe eine Sammlung von Malherbeaus
Kompositionen in der Abélard-Bibliothek, die im Zentrum von Paris ist, glaube
ich. Am Fluss. Dorthin könnte ich gehen und sie mir ansehen. Die Sammlung wäre
einerseits als Primärquelle zu gebrauchen und würde andererseits Bildmaterial
liefern. Ich könnte zu Malherbeaus Haus gehen und seine Sachen dort begutachten.
Mir das Porträt ansehen, das dort hängt. Und was noch? Wirklich schwierig.
Leute wie Vijay mit ihren Beiträgen von weltbekannten Persönlichkeiten haben
die Messlatte ziemlich hoch gelegt.
    Das Schloss klemmt immer noch. Es lässt sich nicht bewegen,
egal wie sehr ich daran rüttle. Das macht mich fuchsteufelswild. Ich laufe in
die Küche und krame in den Schränken herum. Fünf Minuten später komme ich mit
einem Necessaire, einem Schraubenzieher, einer Häkelnadel und einer Flasche
Olivenöl zurück.
    Ich nehme die Gitarre aus dem Koffer und schiebe ihn direkt
unter den Kronleuchter, damit ich besser sehen kann, was ich tue. Ich drehe den
Koffer auf die Seite, tropfe ein bisschen Öl ins Schloss und mache mich an die
Arbeit.
    Eine Stunde später bin ich keinen Schritt weiter. Die
Nagelfeile passte nicht ins Schloss. Der Schraubenzieher taugte zu gar nichts,
und die Häkelnadel habe ich verbogen. Inzwischen bin ich richtig wütend, und während
ich mich über den Tisch beuge und versuche den Koffer so zu drehen, dass das
Licht vom Kronleuchter direkt ins Schloss fällt, höre ich ein leises
klapperndes Geräusch.
    Ich sehe nach unten. Es ist Trumans Schlüssel. Er ist aus
meinem Ausschnitt gerutscht und hat gegen den Koffer geschlagen. Wie groß ist
wohl die Wahrscheinlichkeit, dass er passt? Ich nehme den Schlüssel ab und
probiere es damit. Er passt ins Schloss, bewegt sich aber nicht, als ich ihn zu
drehen versuche. Ich versuche es ein bisschen stärker. Nur ein ganz kleines bisschen.
Schließlich will ich nichts kaputt machen. Er rührt sich nicht. Ich versuche
den Schlüssel herauszuziehen, aber er steckt fest.
    Panik erfasst mich. Ich hätte ihn nicht abnehmen sollen. Ich
nehme ihn nie ab. Ich drehe noch einmal – zu fest. Meine Hand rutscht ab, und
ich schneide mir den Knöchel am Rand des Schlosses auf. Ich sauge an der Wunde,
dann versuche ich es weiter. Ich will Trumans Schlüssel zurück.
    Ich ziehe, drücke und drehe so fest ich kann. Meine Finger
tun weh, mein Knöchel blutet, ich fluche und bin schon kurz davor aufzugeben,
als plötzlich ein scharrendes Geräusch ertönt. Der Schlüssel dreht sich, das
Schloss lässt sich wieder bewegen. Aber der Schlüssel dreht sich weiter. Er
sollte still stehen, doch das tut er nicht. Er dreht sich einfach weiter, und
plötzlich macht es Peng und seitlich entlang des Koffers öffnet sich ein schmaler Spalt.
    Ich habe ihn zerbrochen. Oh Mist, verdammt. Ich betrachte den
Koffer näher und frage mich, wie um alles in der Welt ich G. das erklären soll,
als ich sehe, dass der Riss vollkommen glatt ist, ohne Splitter an den Rändern,
was mir ziemlich verrückt vorkommt. Ich zwänge die Finger hinein, weite ihn ein
wenig, und ein seltsamer, würzig riechender Duft strömt heraus. Ich spüre noch
etwas Widerstand, und dann höre ich einen leisen Ton, wie ein Stöhnen. Der
Deckel hebt sich langsam in die Höhe, und während er das tut, bleibt mir fast
die Luft weg.
    Denn darunter ist Trumans Gesicht. Das mich ansieht.
    Â Â 18  
    Â»Es sind die Tabletten«, flüstere ich. »Ich hab wieder zu
viele Tabletten genommen. Ich sehe Gespenster.«
    Ich kneife die Augen fest zu. Aber als ich sie wieder öffne,
    ist er immer noch da.
    Ein paar Sekunden später, als mein Herz nicht mehr so rast,
als wollte es meinen Brustkasten sprengen, sehe ich, dass es ganz und gar nicht
Trumans Gesicht ist – sondern das eines anderen Jungen. Aber dennoch, ich kenne
es. Ich habe es irgendwo schon einmal

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