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Das Blut der Lilie

Titel: Das Blut der Lilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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der Ihnen durch und
durch geht, durch Mark und Bein, und selbst Ihren Herzschlag neu bestimmt.
    Eine Armee von Dienern taucht auf und bringt
Champagner. Vier Dutzend Gärtner, fieberhaft hinter den Hecken hin- und herhastend,
eilen der königlichen Gesellschaft voraus, öffnen Ventile und Hähne, und
plötzlich erhebt sich der große Apoll aus den schäumenden Wassern eines
vergoldeten Brunnens. In den schattigen Grotten scheinen sich zwinkernd
marmorne Satyrn zu recken und steinerne Göttinnen holen Atem.
    Wenn Sie das gesehen hätten – so schwöre ich Ihnen –, wären
Ihre hehren Prinzipien dahingeschmolzen wie Kerzenwachs in der Sonne. Nie
hätten Sie sich gewünscht, dass solche Schönheit je vergehen sollte.
    Einige Tage nach unserer Ankunft erzählte mir mein
Vater, dass Ludwig XIV ., der Sonnenkönig,
ein Drittel aller Steuern für sich beansprucht hatte, um diesen Palast zu
bauen, und dass sich die Armen zu Tode schuften mussten, um seine Verschwendung
zu finanzieren. Aber damals hatte ich kein Interesse an seinen langweiligen
Reden, denn ich hatte Räume gesehen, aus Spiegeln gemacht, und Diamanten so
groß wie Trauben. Ich hatte Hunde gesehen, die mit Schokolade gefüttert wurden,
und Schuhe, die mit Rubinen besetzt waren. Ich wollte nichts hören von den
Armen. Ich hatte sie satt, die Armen. Ihr ewiges Flennen, ihr Jammern, ihren
Gestank und ihren Dreck.
    Wir traten im Palast mit unseren Marionetten auf. Alle
Kinder bei Hofe kamen. Ihre Gouvernanten und Lehrer, ihre vornehmen Eltern. Es
war ein seltsamer Anblick – das blaueste Blut Frankreichs saß vor unserem
schäbigen Puppentheater. Sich unters gemeine Volk zu mischen, war damals groß
in Mode.
    Nach der Vorstellung spielte ich Gitarre für die
Kinder. Ich brachte ihnen Lieder und Tänze bei, und wir veranstalteten lärmende
Umzüge über die verschlungenen Gartenpfade. Aber vor allem brachte ich den
traurigen Prinzen zum Lachen. Denn wenn mir das gelang, steckte mir die Königin
Münzen zu.
    Ich riss Possen für ihn wie eine Besessene. In meine
Reithosen gekleidet, mein schwarzes Haar zum Pferdeschwanz gebunden, gab ich
Rätsel und Witze zum besten. Führte Zauberkunststücke vor. Tollte herum und
schlug Purzelbäume und Räder. Ich sprang hinter Bäumen hervor, um Damen zu
erschrecken. Warf Steine in Brunnen, um Herren nass zu spritzen. Ließ
Knallfrösche platzen, damit Diener Tabletts fallen ließen. Louis Charles mochte
am Anfang das Geräusch der Knallfrösche nicht, aber bald gewöhnte er sich
daran, denn er liebte Unfug.
    Die alte Herzogin von Noailles war entrüstet, dass sich
ein Prinz von Frankreich wie ein Zigeunerjunge benahm, aber die Königin
beachtete sie nicht. Sie sah, wie ihr Sohn langsam fröhlicher wurde, und das
war es, was sie sich meisten wünschte. Nicht Kuchen. Auch wenn einige dies
behaupteten.
    Alles gestaltete sich ganz wunderbar. Ich hatte einen
trockenen Schlafplatz und einen kleinen Sack Münzen, von dem mein Onkel nichts
wusste. Ich trank Wein und aß gezuckerte Kirschen.
    Und dann wurde es sogar noch besser, denn eines Tages
kam eine der Hofdamen und sagte, die Königin hätte eine Bitte – ob Alexandrine
wohl einverstanden wäre, als Spielgefährtin des Dauphins im Palast zu wohnen?
    Ich verschluckte mich fast an den Nelken, die ich
gerade kaute. Bevor ich zustimmen oder ablehnen konnte, antwortete mein Onkel,
dass es Alexandrine eine große Ehre wäre, den Wunsch der Königin zu erfüllen.
Wir alle wären hoch geehrt. Die Dame lächelte. Die Königin erwartet dich in
ihren Gemächern, sagte sie zu mir.
    Sobald sie fort war, wandte ich mich an meinen Onkel.
Du hättest mich antworten lassen sollen, sagte ich verärgert. Es ist meine
Entscheidung, nicht deine. Es ist muffig in dem Palast. Es gibt zu viele
Regeln. Zu viele Augen. Zu viele Zungen. Ich will dort nicht leben.
    Er lachte. Was du willst, spielt keine Rolle. Es ist
ein wichtiges Privileg.
    Und wenn ich nicht einwillige?, fragte ich keck.
    Ich bekam eine Ohrfeige als Antwort. Du wirst einwilligen,
Alex, sagte mein Onkel, oder ich prügle dich krumm und dumm. Wenn wir die Gunst
der Königin verlieren, verlieren wir unsere Unterkunft hier.
    Die Gunst der Königin. Wie ein Schwall kaltes Wasser vertrieben
diese Worte meinen Ärger und das Brennen auf meiner Wange.
    Du gehst zur Königin, sagte mein Onkel. Du

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