Das Blut der Unschuldigen: Thriller
ihm her.
»Wir können nicht den ganzen Tag auf dich warten. Wir müssen aufbrechen, bevor die Juden wach werden.«
Er nahm einen Schluck Milch, wischte sich den Mund ab und teilte dem Mann mit, dass er bereit sei.
Geräuschlos verließen sie das Haus. Er spürte den Blick des Vaters im Rücken. An diesem Tag würde für ihn ein anderes Leben beginnen, und er hatte das Gefühl, dass es sehr viel schlechter sein würde als das, was er hinter sich ließ.
Der Mann stellte sich als Mohammed vor und erklärte ihm, dass sie bis zur Straße gehen würden, wo sein Lastwagen stehe. Anschließend würden sie weitere Männer abholen und dann dort hinfahren, wo man ihnen den Umgang mit Schusswaffen beibringen werde.
Einen der anderen kannte Hamsa. Die Familie lebte ganz in der Nähe. Sie waren Bauern wie Hamsas Eltern. Allerdings schien der Junge im Unterschied zu ihm mit dem Wechsel in seinem Leben zufrieden zu sein.
»Ich probier’s mal mit denen«, sagte er mit leiser Stimme. »Aber wenn da nichts los ist, such ich mir andere. Ich hab ’nen Vetter mit erstklassigen Beziehungen.«
Einer der Männer, die sich zu ihnen gesellten, hochgewachsen, schlank und mit funkelnden Augen, war der Lehrer in der Dorfschule. Auch er schien geradezu glücklich zu sein, dass man ihn für die Aufgabe ausgewählt hatte. Zum Schluss waren sie insgesamt zehn – die meisten Landleute wie Hamsa, und wie es aussah, alle miteinander ebenso zufrieden wie der Lehrer und der Nachbarssohn. Hamsa überlegte, ob er möglicherweise den falschen Standpunkt hatte.
Der Lastwagen schaukelte über einen unbefestigten Weg. Mohammed sagte, falls die Engländer sie anhielten, sollten sie sagen, dass sie auf dem Weg zur Arbeit auf einer nahe gelegenen Plantage seien. Sie fuhren nach Süden, der Grenze zu Transjordanien entgegen.
Nahe einer Gruppe von Beduinenzelten hielt der Wagen an. Mohammed sagte, sie sollten absteigen, sich aber in der Nähe halten. Einige Minuten lang geschah nichts. Die Beduinenfrauen, deren Gesichter verschleiert waren, schien nichts als die Töpfe zu interessieren, in denen sie eine Mahlzeit zubereiteten. Einige alte Männer saßen rauchend und Tee trinkend vor einem der Zelte. Ein Stück weiter spielten Kinder. Nach einer Weile kam ein Dutzend mit Gewehren bewaffneter Männer aus der Wüste.
»Sind das alle?«, fragte deren Anführer mit einem Blick auf die Männer, die mit Mohammed gekommen waren.
»Es fehlt noch ein Lastwagen mit Leuten, die mein Onkel begleitet.«
»Wir wollen so früh wie möglich anfangen.«
Zur Überraschung aller enthüllte der Mann, der wie ein Beduinenscheich wirkte, sein Gesicht.
»Ich heiße Hussein und bin Offizier der Arabischen Legion«, begann er. »Ich bringe euch bei, wie man mit Schusswaffen umgeht, Bomben herstellt und Mann gegen Mann kämpft. Ihr werdet höchstens drei Tage hier sein, passt also gut auf und nutzt eure Zeit. Jetzt kommt mit.«
Sie folgten ihm an eine Stelle, wo weitere Männer in Beduinentracht warteten. Hussein teilte ebensolche Gewänder an alle aus.
»Damit fallt ihr keinem auf«, sagte er. »Sollte jemand vorbeikommen, sagen wir einfach, dass ihr zu diesem Stamm gehört.«
Dann führte er sie an eine Stelle, wo zahlreiche Waffen am Boden lagen.
Sie bekamen weder Wasser noch etwas zu essen. Allem Anschein nach wollte man keine Zeit mit Höflichkeiten vergeuden,
ein für Wüstenbewohner äußerst ungewöhnliches Verhalten. Nach einer knappen Stunde stieß eine weitere Gruppe junger Männer aus anderen Dörfern zu ihnen. Auch sie wurden wie die Wüstennomaden gekleidet.
Mehrere Stunden hindurch machten sie sich mit den verschiedenen Schusswaffen vertraut. Man zeigte ihnen, wie man eine Pistole zerlegt und wieder zusammensetzt, erklärte ihnen die Grundlagen für den Bau einer Bombe und unterwies sie im Abfeuern von Gewehren.
Hussein war unerbittlich und gönnte ihnen keine Sekunde Ruhe. Als die Dunkelheit hereinbrach, kam ein Mann herbeigaloppiert, der einige Worte mit Hussein wechselte. Daraufhin gebot dieser ihnen mit erhobener Hand aufzuhören.
»Jetzt könnt ihr etwas trinken und essen. Ihr solltet euch anschließend möglichst gleich schlafen legen. Vor Sonnenaufgang komme ich wieder, und der Tag wird lang. Ihr habt noch nicht genug gelernt. Mit dem, was ihr jetzt wisst, kommt ihr nicht weit.«
Nach diesen Worten stieg er in einen Geländewagen, in dem drei Männer warteten, und verschwand in der Abenddämmerung.
»Sicher hat er Recht«, erklärte Mohammed,
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