Das Blut der Unschuldigen: Thriller
Verärgerung für übertrieben, denn er hatte sich höchstens um zehn Minuten verspätet.
»Nimm die Pistole aus dem Handschuhfach«, forderte ihn Saul mit einem Mal auf.
Gehorsam öffnete er den Deckel und zog die Waffe aus ihrer Tasche. Als er sie Saul geben wollte, schüttelte dieser den Kopf.
»Die ist für dich. Ich habe meine schon eingesteckt. Die Straße nach Jerusalem ist nicht sicher. Vorgestern sind vier von unseren Leuten umgebracht worden.«
»Aber ich kann doch gar nicht gut schießen«, protestierte David. Angst überflutete ihn.
»Wenn man uns angreift, musst du zurückschießen. Wer sich nicht verteidigt, wird umgebracht. So einfach ist das.«
»Aber ich kann es nicht gut. Im Kibbuz hab ich noch nie auf jemanden schießen müssen.«
»Da hast du Glück gehabt. Anderen ist es nicht so gut gegangen. Du hast doch selbst gesehen, dass Bewohner des Kibbuz bei Scharmützeln verwundet worden sind.«
Sauls Ansicht nach gab es bei der Handhabung einer Pistole keine großen Geheimnisse, doch erklärte er David rasch, wie er damit umzugehen hatte.
Schweigend setzten sie die Fahrt fort, wobei sich Saul ständig sichernd umsah.
»Was weißt du über den jungen Palästinenser, mit dem du dich immer herumgedrückt hast?«, fragte er unvermittelt.
»Hamsa? Er ist mein Freund. Er bringt mir Arabisch bei, und ich ihm Französisch. Wir unterhalten uns aber auf Englisch. Das kann er besser als ich.«
»Ja, das haben wir hier alle lernen müssen, um uns mit den Briten verständigen zu können. Was weißt du noch über ihn?«
»Sicher wissen Sie mehr als ich. Ich habe ja gesehen, wie Sie sich mit seinem Vater Raschid unterhalten haben.«
»Wir kennen die Leute schon ziemlich lange. Sein Grundstück grenzt direkt an unseren Kibbuz. Wir haben mit den Leuten auch Handel getrieben, und unser Tor hat ihnen immer offen gestanden. Raschid ist ein anständiger Kerl, und sein Sohn dann ja wohl auch. Trotzdem wüsste ich gern, worüber ihr euch unterhaltet und wie er die Lage einschätzt.«
»Wir finden beide, dass Juden und Palästinenser sich einigen könnten, wenn man uns die Möglichkeit ließe, direkt miteinander zu verhandeln. Hamsa und ich sind der Ansicht, dass wir einen gemeinsamen Staat gründen sollten, eine Föderation. Falls das aber nicht geht, sollte man zwei getrennte Staaten ins Leben rufen. Nur kämpfen sollte man nicht.«
»Aber genau das wird er tun. Dafür werden die Einpeitscher schon sorgen. Machmud war bereits bei ihm.«
»Wer ist Machmud?«
»Einer der Anführer der palästinensischen Guerrillatruppen auf unserem Gebiet. Er hat schon mehrere Kibbuzim überfallen und Hinterhalte an der Straße gelegt. Er rekrutiert in den Dörfern und war auch schon in Raschids Haus. Fürs Erste hat er sich damit begnügt, Hamsa mitzunehmen.«
»Das kann gar nicht sein. Hamsa würde nie kämpfen! Er ist gegen den Krieg, weil er überzeugt ist, dass sich Probleme nicht mit Waffengewalt lösen lassen. Er liebt sein Land und möchte, dass es gedeiht, aber er ist überzeugt, dass wir dies Ziel erreichen können, ohne uns gegenseitig umzubringen.«
»Das sind alles Floskeln und gute Vorsätze. Du musst die Wirklichkeit sehen. Hamsa weiß, dass ihm nichts anderes übrig bleibt, als zu tun, was man ihm sagt.«
»Und was sagt man ihm?«
»Dass er uns töten und ins Meer werfen soll. So lautet die Formel der arabischen Anführer. Leider ist der Einfluss Amin Husseinis hierzulande nach wie vor beträchtlich. Er ist Großmufti von Jerusalem, hat sich mit den Nazis bestens verstanden und war bei Hitler hoch angesehen. Das wusstest du wohl noch nicht?«
»Nein.«
»Ja, es wird höchste Zeit, dass du dich mit den Gegebenheiten hier im Lande vertraut machst.«
David wollte protestieren, bekam aber keine Gelegenheit dazu.
»Festhalten!«
Bevor er die Aufforderung befolgen konnte, riss Saul das Steuer herum, so dass der Wagen auf die andere Straßenseite geriet. Der Fahrer eines Autos hinter ihnen, das David bisher nicht gesehen hatte, tat es ihm gleich.
»Festhalten!«
Wieder riss Saul das Steuer herum, so dass sie auf die ursprüngliche Straßenseite zurückkehrten. Der Fahrer des anderen Wagens war, wie es schien, weniger geschickt als er, denn das Fahrzeug schoss von der Straße ins freie Feld.
»Was war denn das?«, rief David aus, der vor Angst zitterte.
»Die saßen uns schon eine ganze Weile im Nacken. Es ist die einzige Art festzustellen, ob sie harmlos sind oder nicht.«
»Wir hätten dabei umkommen
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