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Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Titel: Das Blut der Unschuldigen: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro , K. Schatzhauser
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Bewaffneter herauskam, fuhr er bis unmittelbar vor das Haus. Als der Wagen anhielt, kam ein alter Mann in der landesüblichen Tracht mit einer Kuffiya auf dem Kopf heraus.
    »Saul!«
    Die beiden umarmten einander und traten dann ins Haus, ohne auf David zu achten, der ihnen neugierig folgte.
    Eine verschleierte Palästinenserin schob den Mann beiseite, um Saul ebenfalls umarmen zu können.
    »Wir haben dich so lange nicht gesehen! Was war mit dir?«, sagte sie vorwurfsvoll.
    »Ich hatte viel zu tun«, erklärte Saul in entschuldigendem Ton. »Aber in Gedanken bin ich stets bei euch.«
    »Du kannst beruhigt sein, wir hüten dein Haus, als wenn es das unsere wäre«, versicherte ihm der Alte.
    »Das weiß ich.«
    Die Frau eilte fort und kam bald mit einem Tablett zurück, das sie auf den großen Wohnzimmertisch stellte. Es enthielt Wasser, Tee, Obst und Konfekt.
    David fiel auf, dass auch die Einrichtung der in Abduls Haus ähnelte.
    Sie setzten sich, und Saul hörte dem Mann geduldig zu, der über die Ernte sprach, über das Neueste aus der Nachbarschaft und über die Schmerzen, die ihm das Alter bereitete.
    »Es wird Krieg geben, Marwan.«
    »Ich weiß, Saul, ich weiß. Aber wir bleiben hier, damit du dein Haus behältst.«
    »Das möchte ich nicht von dir verlangen.«
    »Das ist auch gar nicht nötig. Wir haben das selbst so beschlossen. Meine Frau ist einverstanden, und meine Kinder …
wie das so ist – die einen sind dafür, die anderen dagegen. Aber wir gehen nicht von hier fort. Es ist in gewisser Weise auch unser Haus. Hier bin ich zur Welt gekommen, und hier sind meine Kinder geboren worden. Mein Großvater und mein Vater haben hier gelebt und deinen Großeltern und Eltern bei der Landarbeit geholfen.«
    »Ja, Marwan. Wir waren immer Freunde, doch jetzt …«
    »Jetzt gibt es Krieg, aber das hat mit uns nichts zu tun. Wir bleiben hier und hüten dein Haus. Danach kommst du wieder her. Alle Kriege hören einmal auf, Saul, alle.«
    Die beiden besprachen, was es im Haus und auf dem Lande zu tun gab, dann übergab Saul zu Davids großer Überraschung Marwan einen hohen Geldbetrag.
    »Aber das brauchen wir doch gar nicht! Ich habe bekommen, was du geschickt hast. Die Abrechnung mache ich noch.«
    »Die brauche ich nicht. Das hier ist für den Fall, dass etwas passiert. Es ist besser, wenn du etwas auf der hohen Kante hast. Ich weiß nicht, wann ich wiederkommen kann.«
    »Aber das ist viel zu …«
    »Ich hoffe, es genügt.«
    Die Frau wollte unbedingt, dass sie zum Abendessen blieben und im Haus übernachteten. Nach längerem Zögern ließ sich Saul dazu überreden, erklärte aber, dass sie zuvor noch dies und jenes zu erledigen hatten.
     
    »Wohin fahren wir jetzt?«, fragte David.
    »Zu einem Kibbuz in der Nähe. Ich muss mit einigen Vertretern der Hagana sprechen. Sie erwarten mich um sieben.«
    »Und was soll ich tun?«
    »Es kann dir nichts schaden, wenn du dir anhörst, was die Leute zu sagen haben.«
    »Was ist eigentlich mit den Palästinensern in Ihrem Haus? Sie scheinen Sie sehr zu mögen.«
    »Ich kenne sie seit frühester Jugend und würde ihnen mein Leben anvertrauen.«
    »Und wieso werfen Sie mir dann vor, dass ich mich mit Hamsa angefreundet habe?«
    »Ich habe dir nichts vorgeworfen, sondern dich lediglich auf das hingewiesen, was passieren wird. Abdul und ich sind Freunde. Wir sind gemeinsam aufgewachsen, hatten dieselben Lehrer, haben uns zum ersten Mal in dasselbe Mädchen verliebt, eine Kusine Abduls, aber wir wissen, dass wir gegeneinander werden kämpfen müssen. Du hast selbst gehört, wie er das gesagt hat.«
    »Das kommt mir alles ziemlich verrückt vor. Da haben wir palästinensische Freunde, trotzdem greifen sie uns an, wir verteidigen uns, bringen sie um, sie bringen uns um …«
    »Ja, manchmal fällt es sogar mir schwer, das zu verstehen. Aber eigentlich ist es ganz einfach. Das hier ist unser Vaterland, dann sind die Römer gekommen, haben es erobert, und seither ist es immer wieder neu erobert worden. Viele Juden sind im Laufe der Jahrhunderte fortgegangen und haben sich woanders niedergelassen, sind dort mit der Bevölkerung verschmolzen, haben sich anderen Ländern zugehörig gefühlt, sich aber immer hierher zurückgesehnt. Ich will dir keine Lektion in Geschichte erteilen und von den Pogromen oder der Inquisition bis hin zur Shoah reden. Jedenfalls geht es jetzt darum, dass wir unser Vaterland zurückgewinnen, damit es auf der ganzen Welt keinen Juden ohne Heimat mehr

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