Das Blut der Unschuldigen: Thriller
teils Tee tranken, unterhielten sich lebhaft miteinander.
Sie begrüßten die Besucher voll Herzlichkeit.
Nach wenigen Minuten unverbindlichen Plauderns ergriff Saul das Wort. »Wir stehen kurz davor zu erreichen, dass die Vereinten Nationen die Einrichtung zweier Staaten vorschlagen. Dieser Lösung werden wir zustimmen, denn sie ist gut für alle. Aber in letzter Zeit häufen sich die schlechten Nachrichten. Immer wieder werden Kibbuzim überfallen, die Straße nach Jerusalem ist für uns zu einer Falle geworden, die einigen unserer Leute schon zum Verhängnis geworden ist, denn man hat sie mit Maschinenpistolen getötet … Was könnt ihr mir dazu sagen, Freunde?«
Schweigend und besorgt hatten ihm die Männer zugehört.
An Abduls Stelle antwortete ihm ein älterer Mann, der eine Kuffiya trug.
»Wir sind nicht alle einer Meinung. Viele von uns wollen euch nicht hierhaben. Zuerst wart ihr wenige, dann sind immer mehr gekommen. Unsere Leute haben Angst, dass ihr das ganze Land an euch bringen wollt und wir für das bezahlen müssen, was die Nazis getan haben.«
»Und was denkst du?«, fragte Saul.
»In diesem Land konnte man noch nie in Frieden leben, aber es gehört uns. Wir waren schon immer hier. Ich bin der Überzeugung, dass wir in Frieden miteinander leben könnten, aber es gibt bedeutende Kräfte, die anderer Ansicht sind und keinen jüdischen Staat in unserem Land haben wollen. Was können wir da tun?«
»Immer wieder darauf hinweisen, dass wir in Frieden miteinander leben können.«
»Und können wir das?«, fragte der Ältere.
»Es ist unser Wunsch. Wir brauchen nur eine Heimat.«
»Um den Preis, dass man uns die unsere nimmt?«
»Bevor meine Glaubensgenossen herkamen, war dies Land nicht frei. Deine Familie hat schon immer hier gelebt, wie auch meine, und wir haben die Briten, die Türken, die Tataren und vor ihnen andere ertragen, Araber und Römer … Aber wir glauben, dass wir gemeinsam in Frieden leben können.«
»Unsere religiösen Führer sehen das anders«, erwiderte der Alte.
»Euer oberster Führer Amin Husseini hat mit den Nazis paktiert, das wisst ihr sehr gut. Er war ein Freund Hitlers und hat viele der Euren mit seinem Hass gegen uns vergiftet. Aber jetzt ist die Stunde gekommen, den Verrückten ein ›Nein‹ entgegenzuschleudern.«
»Das ist nicht so einfach, Saul«, gab Abdul zu bedenken. »Meinst du, wir hätten das nicht versucht? Viele von uns reisen seit Wochen von einem Ort zum anderen, reden und reden. Aber wir sind uns nicht einig, und diejenigen von uns, die auf dem Standpunkt stehen, dass ein gemeinsames Leben unserer beiden Völker möglich ist, leben in der ständigen Furcht, als Verräter gebrandmarkt zu werden. Man fragt uns: ›Warum sollen wir unser Land eigentlich herschenken?‹ Die anderen sagen: ›Die Juden überrennen uns, drängen uns in die Ecke. Sie werden alles an sich reißen …‹«
»Du weißt, Abdul, dass wir alles Land, das wir besitzen, gekauft haben, soweit es uns nicht schon vorher gehört hat. Wir haben weder jemandem etwas fortgenommen, noch wollen wir alles an uns bringen. Wir brauchen nur ein Stück Erde, um eine Heimat zu haben, einen Staat zu gründen. Das ist der geeignete Augenblick für euch, ebenfalls einen Staat zu gründen, damit ihr nicht länger von anderen abhängig und ihnen untertan seid. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, dass ihr und wir gemeinsam die Zügel in die Hand nehmen und selbst über das Geschick unserer Völker entscheiden.«
»Das wird nicht möglich sein«, sagte der Alte.
»Nein, nur wenn beide Seiten es wollen«, bekräftigte Saul.
Schweigend hörte David zu. Wenn die Männer schnell sprachen, verstand er nicht alles, aber genug, um zu erkennen, dass sie und Saul Freunde waren, einander kannten und achteten. Er begriff, dass es zu keiner Auseinandersetzung käme, wenn die Entscheidung ausschließlich von ihnen abhinge.
»Und warum nicht ein palästinensischer Staat, in dem ihr Juden leben könnt?«, regte ein Mann in mittleren Jahren an, der gleich Abdul westlich gekleidet war.
»Nein, Hatem«, gab Saul zur Antwort. »Wir wollen in keinem
Staat leben, der nicht der unsere ist. Wenn du darin regierst, weiß ich, dass mich niemand verfolgen wird. Was aber, wenn ein anderer zu bestimmen hat? Wir Juden brauchen eine eigene Heimat, und die kann nur das Land sein, das es immer schon war. Von hier sind viele meiner Angehörigen fortgegangen, die jetzt zurückkehren, und andere sind geblieben. Wir sagen, dass
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