Das Blut der Unschuldigen: Thriller
leben zwanzig Kinder«, sagte Hamsa entsetzt. »Die würden dabei umkommen …«
»Und wenn schon. Das sind Juden«, gab Machmud lachend zurück. »Wenn du nicht den nötigen Schneid aufbringst,
bleibst du eben hier«, fügte er drohend hinzu und zielte mit seiner Pistole auf Hamsas Schläfe. Diesem war bewusst, dass Machmud nicht zögern würde abzudrücken. Der Mann schien förmlich einen Vorwand zu suchen, ihn zu töten, und Hamsa machte sich im Stillen Vorwürfe, weil er so am Leben hing.
Während er sich Machmuds Anweisungen anhörte, versuchte er die Übelkeit zu bekämpfen, die in ihm emporstieg. Machmud weidete sich unübersehbar an Hamsas Angst. Er hatte diese Situation bewusst herbeigeführt, weil er feststellen wollte, ob er sich auf Hamsa verlassen konnte. Sein ebenso einfacher wie grässlicher Gedankengang war: Wer es fertigbrachte, Menschen zu töten, die er kannte, würde auch andere töten.
Unter Hamsas Führung schlich sich der Trupp vorsichtig an den Zaun, der den Kibbuz umgab. Er wusste genau, wo man mit Wachen zu rechnen hatte und wo nicht. Sie durchschnitten den Draht und drangen mit angehaltenem Atem auf das Gelände vor. Hamsa hörte die leisen Rufe der Patrouillierenden und glaubte Davids Stimme zu erkennen.
Doch vielleicht hatte er sich verhört. Er flehte zu Allah, dass sein Freund in dieser Nacht keine Wache hatte.
Er bedeutete den anderen, sich im Gelände zu verteilen. Er hatte ihnen bereits erklärt, wo sie die Sprengladungen anbringen sollten. Während sich seine Gefährten flink und geräuschlos in der Dunkelheit bewegten, wartete er mit einigen weiteren Männern den geeigneten Augenblick ab, um die Wachen zu töten. Danach konnten sie in die Häuser eindringen und mit ihren Maschinenpistolen das Feuer auf die Schlafenden eröffnen. Er wusste, wo Davids Zimmer war. Er würde nicht dort hingehen und auch andere daran hindern.
Als alle Sprengladungen angebracht und die Männer zurückgekehrt
waren, stürmten sie auf sein Zeichen los, traten die Türen ein und schossen auf die friedlich Schlafenden. Im nächsten Augenblick zerrissen Schreie die Stille der Nacht, und ihr Feuer wurde erwidert. Wie im Fieber schoss Hamsa wild drauflos, hierhin und dorthin, von Machmud gefolgt, der sich vom Verlauf ihres Überfalls befriedigt zeigte.
Einige der Angreifer fielen unter den Kugeln der Siedler. Dann sah Hamsa überrascht, dass die blonde Tanja laut schreiend feuerte. Natürlich, fiel ihm ein, die Juden machten in dieser Hinsicht keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Beide Geschlechter wurden im Gebrauch von Waffen geschult. Entsetzt sah er, wie das Mädchen im nächsten Augenblick zu Boden stürzte, von mehreren Kugeln getroffen.
Seine schlimmste Befürchtung wurde wahr, denn er sah David. Mit ausdruckslosem Gesicht visierte er und feuerte. Die Entschlossenheit des Freundes überraschte Hamsa. Machmud trieb ihn an, in den Teil des Kibbuz vorzurücken, den David verteidigte, und so blieb es nicht aus, dass sie einander bald gegenüberstanden. David sah ihn gequält an, schien aber nicht überrascht zu sein. Es kam Hamsa vor, als hätte David diesen Augenblick erwartet. Er wollte ihm zurufen, er solle Deckung suchen, und senkte die Waffe. Er wollte den Freund nicht töten, selbst auf die Gefahr hin, anschließend von Machmud erschossen zu werden. Doch im Unterschied zu Hamsa zögerte David nicht, sondern richtete die Pistole auf ihn. Er spürte einen stechenden Schmerz im Unterleib. Die Hand, mit der er unwillkürlich an den Unterleib fuhr, bedeckte sich mit Blut. Er sah David erneut an und erkannte den Kummer im Gesicht des Freundes. Lächelnd ließ er seine Waffe fallen und stürzte zu Boden.
Machmud sprang über ihn hinweg und gab einen Feuerstoß
aus seiner Maschinenpistole auf den Mann ab, der Hamsa getötet hatte. Befriedigt sah er, wie dieser getroffen neben Hamsa zu Boden sank. So ein Idiot! Hamsa hatte die Waffe gesenkt, gezögert und seinem Mörder noch zugelächelt. Um ihn war es nicht schade. Mit seiner Feigheit hatte er nichts anderes verdient, als zu krepieren wie ein Hund.
Machmud gab den Befehl zum Rückzug. Während der Trupp den Kibbuz verließ, detonierten die Sprengladungen. Er war zufrieden; die Operation war ein voller Erfolg – dieser Kibbuz hatte aufgehört zu existieren.
Der Überfall auf den Kibbuz war ein Gemetzel gewesen. Nur fünf Kinder hatten überlebt, von den hundert Erwachsenen dreißig, unter ihnen David.
Dass er noch lebte, war ein
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