Das Blut der Unschuldigen: Thriller
Wann waren Sie zuletzt in London?«
»Vor vier Tagen.«
»Ach ja, ich habe nicht daran gedacht, dass Sie überall und nirgends zugleich sind. Dann wird Ihnen ja aufgefallen sein, dass man dort immer weniger Londoner sieht. In manchen Stadtvierteln kommt man sich vor, als wäre man in Pakistan … Die Moslems stellen immer mehr Forderungen, und die Regierung geht vor ihnen immer mehr in die Knie, weil sie der
Ansicht ist, sie müsse die Vorreiterin der Menschenrechte spielen … Als ob die Leute ihnen das danken würden! Sie wollen unsere Vernichtung! Den Untergang unserer Zivilisation!«
»Ganz offensichtlich.«
»Nur Dummköpfe sehen das nicht. Hatten Sie übrigens Schwierigkeiten herzufinden?«
»Nicht im Geringsten. Es war ganz einfach.«
»Das Haus gehört der Familie meiner Frau. Sie wollte es nie verkaufen, weil sie daran hängt, und ich muss gestehen, dass es uns zumindest im Augenblick ganz nützlich ist. Ich werde noch einige Tage in Athen bleiben, bevor ich nach London zurückkehre. Sollte sich etwas Neues ergeben, rufen Sie mich an.«
»Gewiss.«
»Übrigens lassen Sie mich noch sagen, dass wir mit Ihrer Arbeit ausgesprochen zufrieden sind … Sie machen Dinge möglich, die unmöglich erscheinen …«
Am selben Samstag in der Burg des Grafen d’Amis in Südfrankreich
»Die Zeitungen.«
Raymond de la Pallissière, dreiundzwanzigster Graf d’Amis, der gerade einige Papiere durchging, erhob sich und setzte sich in einen bequemen Sessel zwischen einem Fenster und dem
Kamin, der angenehme Wärme spendete. Der Butler legte die zehn Blätter, die täglich pünktlich ins Haus kamen, auf das Tischchen vor ihn. Außer der International Herald Tribune waren das fünf französische und vier deutsche Zeitungen.
Die Gewohnheit, sie sich jeden Morgen aus Caracassonne kommen zu lassen und sich mit ihnen zurückzuziehen, als handelte es sich dabei um eine wichtige Arbeit, hatte er wie so viele andere von seinem Vater übernommen.
Er hatte nach dessen Tod nur solche Veränderungen an der Burg vornehmen lassen, die ihm und seinen Gästen das Leben behaglich machten, das Dienstpersonal allerdings im Laufe der Jahre nach und nach ausgewechselt.
Er musste zugeben, dass er mit seinem Butler, dessen Vorgänger er wegen Unfähigkeit hatte entlassen müssen, einen Glücksgriff getan hatte. Es war ein gebildeter und aufmerksamer Mann in mittleren Jahren, der die Fähigkeit zu besitzen schien, jeden seiner Wünsche zu ahnen.
Inzwischen hatte sich die Welt so sehr geändert, dass es bereits als exzentrisch galt, einen Butler zu haben. Diesen Luxus leisteten sich nur noch Leute, die so alt waren wie er. Seine Freunde und Bekannten allerdings behaupteten immer wieder, man sehe ihm sein Alter nicht an. In der Tat hielt er sich aufrecht, und das von grauen Fäden durchzogene blonde Haar und der leuchtende Blick seiner grünen Augen ließen ihn nach wie vor eindrucksvoll erscheinen.
Ganz wie früher sein Vater las er stets zuerst die International Herald Tribune .
Sein Blick fiel auf die Schlagzeile über das Selbstmordattentat in Frankfurt. Bisher, hieß es, habe die Polizei noch keinen Verdächtigen gefasst, doch sei ein Bekennerschreiben einer islamistischen Vereinigung eingegangen, die sich die Gruppe nannte. Von ihr war bekannt, dass sie Druck auf die Länder des Westens auszuüben versuchte.
Um dieses Ziel zu erreichen, machten ihre Anführer die Drohung wahr, die Völker Europas nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Immer wieder kam es in unregelmäßigen Abständen zu Anschlägen wie dem auf das Kino in Frankfurt, und nur selten war der Polizei die Festnahme von Tätern gelungen.
Die Kräfte hinter der Gruppe hatten zwei klar umrissene Ziele. Sie wollten die Juden in Israel vernichten und darüber hinaus die Gebiete für den Islam zurückerobern, die ihm ihrer Ansicht nach von Rechts wegen gehörten: das einstige Maurenreich al-Andalus einschließlich Portugals und eines Teils von Frankreich sowie den Balkan. Dieses Programm verfolgten sie mit fanatischem Eifer, und nichts schien sie aufhalten zu können.
Der International Herald Tribune zufolge hatte man keine »aussagekräftigen Spuren« in der Wohnung gefunden, in der sich die Angehörigen des islamistischen Kommandos das Leben genommen hatten, um nicht der Polizei in die Hände zu fallen. Der Graf überlegte, was mit »aussagekräftige Spuren« gemeint sein mochte. Aus der Formulierung ging hervor, dass man etwas gefunden hatte – aber was war das?
Die
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