Das Blut der Unschuldigen: Thriller
gewesen war, Mireille Béziers mit auf den Frankfurter Fall anzusetzen. Man hätte ihr besser eine andere Aufgabe gegeben. Allerdings musste er sich an die eigene Nase fassen, denn er selbst hatte angeregt, man könne sie an der Untersuchung der Selbstmorde in Frankfurt beteiligen.
In seinem Büro angekommen, machte Hans Wein seinem Herzen Luft. »So ein dummes Stück! Ich will sie hier nicht mehr sehen! Sie soll sofort verschwinden! Ruf in der Personalabteilung an und sag denen, sie sollen sie unterbringen, wo sie wollen. Notfalls rede ich selbst mit dem Kommissar für Innere Angelegenheiten, mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission, mit wem auch immer! Großer Gott im Himmel! Von mir aus soll man sie ruhig beschäftigen, aber nicht in ›meiner‹ Abteilung.«
»Ja, sie hat zu wenig Erfahrung. Andererseits ist sie schon eine ganze Weile in der Behörde tätig und zumindest vertrauenswürdig«, gab Lorenzo Panetta zu bedenken.
»Meine Frau ist auch vertrauenswürdig und arbeitet nicht hier!«, schrie Hans Wein.
»Nun reg dich doch nicht auf. Mit Geschrei erreichen wir gar nichts. Ich ruf bei der Personalverwaltung an. Aber zuerst müssen wir der Frau klarmachen, dass sie selbst ihre Versetzung beantragen soll. Wir wollen doch ihretwegen keine Krise riskieren. Du weißt ja, wie die Politiker sind: Sie schulden sich gegenseitig einen Gefallen, und wahrscheinlich hat der Mann, der sie hier untergebracht hat, das getan, weil er jemandem bei der NATO, der Europäischen Kommission oder wo auch immer
verpflichtet war. Wir können sie also nicht ohne weiteres abschieben. Auch wenn alle sie die ›Eingeschleuste‹ nennen, muss man anstandshalber zugeben, dass die meisten hier im Hause durch irgendwelche Beziehungen auf ihren Posten gelangt sind. Ihre Personalakte ist einwandfrei, und sie hat überall, wo sie bisher war, gute Arbeit geleistet.«
»Jetzt mach dich noch zu ihrem Fürsprecher«, fuhr ihn Hans Wein an.
»Ich denke, wir sollten uns nicht unnötig aufregen«, meldete sich Laura White zu Wort. »Gewiss, ihr fehlt es an Erfahrung, aber dumm ist sie nicht, höchstens ein bisschen naiv. Aber wenn ihr sie auf keinen Fall hierhaben wollt, dürfte es wirklich das Beste sein, dass sie ihre Versetzung beantragt.«
Ungeachtet der Rauchverbotsschilder, die in allen Räumen hingen, steckte sich Hans Wein eine Zigarette an. Er war so erbost, dass er Mireille Béziers am liebsten eigenhändig vor die Tür gesetzt hätte.
Panetta nutzte die günstige Gelegenheit und steckte sich ebenfalls eine Zigarette an.
Die Zigarette diente Hans Wein ebenso wie seine scharfen Äußerungen gegen die junge Frau als Sicherheitsventil. Er wusste ebenso wie Panetta, dass es äußerst schwierig sein würde, sich ihrer zu entledigen.
»Versuchen Sie unauffällig festzustellen, auf welche freie Position im Hause man sie abschieben könnte«, forderte Hans Wein Laura White auf.
»Wird gemacht«, sagte sie und verließ den Raum.
»Laura ist unschätzbar«, sagte Panetta.
»Ja, ein wahres Glück, dass ich eine solche Assistentin habe. Sie tut ihre Arbeit gern und hat vor allem keinen Ehrgeiz.«
»Was meinst du damit?«
»Meinst du nicht auch, dass eine Frau mit einem Diplom in Politikwissenschaften, die vier Sprachen spricht, nicht darauf angewiesen ist, als meine Assistentin zu arbeiten, sondern sich auf viele andere Positionen bewerben könnte? Wenn sie das täte, wäre ich moralisch verpflichtet, sie dabei zu unterstützen.«
»Allerdings. Ein wahres Glück, dass wir sie haben.«
6
Der Pilot gab durch, dass man in zehn Minuten auf dem Flugplatz Bilbao-Sondica landen werde. Sorgsam verstaute Sagardía die Papiere, mit denen er sich beschäftigt hatte, in seiner Aktentasche.
Der Sekretär des Papstes hatte ihn gebeten, weiterhin am Versuch einer Lösung des Rätsels um die Wörter und Ausdrücke mitzuwirken, die man in Frankfurt aus dem Feuer gerettet hatte. Da er sich, um nachzudenken, nicht im Vatikan aufzuhalten brauche, könne er das ebenso gut an seiner neuen Arbeitsstelle in der Kirchengemeinde tun, die in einem Neubauviertel am Rande von Bilbao lag. In jener Gemeinde wartete Pater Ignacio auf ihn, der wichtigste Mensch in seinem Leben, denn nicht nur hatte dieser seine Berufung zum Priester entdeckt und ihm geholfen, etwas aus seinem Leben zu machen, er verdankte ihm auch seinen Ruf in den Vatikan.
Sagardía schloss die Augen, um sich besser an das Gesicht
des deutlich Älteren zu erinnern, der den Vatikan vor
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