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Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Titel: Das Blut der Unschuldigen: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro , K. Schatzhauser
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hatte, spürte er, wie sein Puls schneller schlug. Da in diesem Stadtviertel eine große Zahl von Moslems lebte, sah es dort nicht anders aus als in den Städten südlich der Straße von Gibraltar.
    Er genoss den Anblick von Frauen in der traditionellen Djellaba, dem langen Gewand, das vom Hals bis zu den Füßen reichte. Ihr Haar verbargen sie unter einem Hidschab, wie es sich gehörte.
    Als er das Haus seines Vaters erreichte, fühlte er sich in Sicherheit. Hier konnte ihm nichts Böses geschehen. Hier war er glücklich gewesen, trotz aller Mühe, die es die Eltern gekostet hatte, die Familie durchzubringen. Der Vater hatte auf dem Bau gearbeitet und die Mutter als Putzhilfe in den Bürgerhäusern der Stadt. Damals hatten auf dem Albaicín vorwiegend Ungläubige gelebt, die sonst kein Unterkommen fanden, weshalb man den Albaicín auch als Zigeunerviertel bezeichnet hatte.
    In den letzten Jahren aber war die moslemische Gemeinde stärker denn je angewachsen und hatte sich immer mehr in jenem Teil der Stadt ausgebreitet, von dem vor Jahrhunderten ein eigener Glanz ausgegangen war.
    Er stellte den Wagen in einiger Entfernung vom väterlichen Haus ab und forderte Fatima und die Kinder auf zu warten, bis er zurückkam.
    Er klopfte an die Haustür, erst leise, dann kräftiger. Bald
darauf hörte er die wohltönende Stimme seiner Mutter: »Ich komm ja schon.«
    Als sie öffnete, stieß sie einen Schrei aus, in dem sich Besorgnis und Freude mischten.
    »Mein Junge! Mohammed! Allah hat meine Gebete erhört! Du bist hier!«
    Sie schloss ihn fest in die Arme, und er barg den Kopf an ihrer Schulter, die nach dem Zitronenwasser roch, mit dem sie sich ganz wie früher parfümiert hatte.
    »Keine Sorge, mir geht es gut. Wo ist Vater?«
    »Wir hatten schon geglaubt, dass du Schwierigkeiten hättest … Dein Vater ist gerade gegangen. Er arbeitet jetzt als Nachtwächter auf einer Baustelle, weil er für das Herumturnen auf den Gerüsten zu alt ist. Aber komm doch rein, mein Junge, komm rein. Wie schön, dass du da bist.«
    »Und wie geht es Laila?«
    Die Mutter löste die Umarmung und ließ die Arme sinken, als hätten ihre Kräfte sie verlassen.
    »Gut. Sie kommt bestimmt auch bald.«
    Ihm fiel ein, dass ihn Hassan auf seine Schwester angesprochen hatte. Was mochte der Grund dafür gewesen sein? Er beschloss, die Mutter später danach zu fragen, jetzt musste er ihr erst Fatima und die Kinder vorstellen.
    »Mutter, ich bin verheiratet und habe Kinder.«
    »Seit wann denn? Es wird deinem Vater nicht gefallen, dass du ohne seine Erlaubnis geheiratet hast.«
    »Meine Frau, Fatima, ist die jüngere Schwester Hassans, du weißt schon, der Imam in Frankfurt. Sie war mit Jussuf verheiratet, und er … er ist als Märtyrer gestorben. Hassan hat mir die Ehre erwiesen, mich in seine Familie aufzunehmen, indem er mir seine Schwester zur Frau gab. Jussuf und Fatima hatten
zwei Kinder, die jetzt die meinen und damit deine Enkel sind. Du wirst dich um sie und um Fatima kümmern …«
    Sie sah ihrem Sohn in die Augen und merkte, wie sehr er sich verändert hatte.
    Der Unterschied zu früher, das war ihr sogleich klar, bestand darin, dass er seine Unschuld verloren hatte. Er war nicht mehr der idealistische junge Mann, der von einer besseren Zukunft geträumt hatte. In seinen Augen spiegelten sich Angst und Besorgnis, doch zugleich lag auch Entschlossenheit darin.
    »Ich hoffe, dass du bald zur Freude meines Alters eigene Kinder hast, aber auf jeden Fall soll deine Frau meine Tochter sein und ihre Kinder meine Enkel. Wo sind sie?«
    »Sie warten im Auto auf dem kleinen Platz. Ich hole sie gleich.«
    Besorgt fragte sich Fatima, wie ihre neue Schwiegermutter sie wohl aufnehmen würde. Zwar hoffte sie, dass man ihr als Hassans Schwester die gleiche Achtung erweisen würde wie in Frankfurt, aber sicher konnte sie sich nicht sein.
    Mohammeds Mutter umarmte sie, küsste die Kinder liebevoll und bat alle einzutreten.
    »Bestimmt seid ihr müde von der langen Reise, und sicher habt ihr auch Hunger. Wenn meine Tochter Laila nach Hause kommt, werden wir gemeinsam zu Abend essen. Inzwischen zeige ich euch eure Zimmer. Du ziehst mit Mohammed in sein altes Zimmer. Die Abstellkammer daneben können wir für die Kinder ausräumen.«
    »Während ihr damit beschäftigt seid, gehe ich zu Vater. Sag mir, wo die Baustelle ist.«
    »Es ist besser, du wartest bis morgen. Er mag es nicht, wenn man ihn am Arbeitsplatz aufsucht, solange das nicht unbedingt nötig

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