Das Blut der Unschuldigen: Thriller
unerschütterlichen Glaubensüberzeugung wollte sie im Innersten, dass ihr Sohn weiterlebte. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen; für ihn war die Zeit zur Rückkehr in die himmlische Heimat noch nicht gekommen.
»Ich gebe dir mein Wort, dass ich Teresa aus Montségur hinausschaffen lasse, sofern sie dazu bereit ist. Ich werde sie nicht zwingen zu gehen, wohl aber sie darum bitten, weil es dein Wunsch ist.«
»Damit kann ich mich nicht begnügen, Mutter. Ich möchte, dass Ihr meine Schwester auf jeden Fall dazu veranlasst, den Berg zu verlassen. Ich würde Euch ihren Tod nie verzeihen.«
Schweigend sahen sie einander an, unfähig, den Schmerz, die Liebe und die Bewunderung, die sie füreinander empfanden, mit Worten auszudrücken. Doña María ergriff erneut die
Hände ihres Sohnes, führte sie an ihr Gesicht und küsste seine Fingerspitzen.
»Ich möchte sterben und zu meinem himmlischen Sein zurückkehren, kann aber nicht in Frieden ruhen, wenn ich weiß, dass ich mit deinem Groll dahinscheide. Daher werde ich tun, was menschenmöglich ist, um Teresa zu überzeugen. Ich gebe dir mein Wort. Du weißt, dass du dich darauf verlassen kannst. Nur bitte ich dich, nicht mir die Schuld zu geben, falls sie dem Befehl nicht folgt, den ich ihr geben muss.«
»Ich möchte, dass Ihr sie gleich morgen herbringt. Gebt dem Hirten den Auftrag, dass er uns morgen bei Einbruch der Nacht erneut wieder herführt.«
»Das kann ich dir nicht versprechen. Er wird euch holen, wenn es ohne Gefahr möglich ist. Morgen oder übermorgen, du wirst es erfahren. Bis dahin vertrau mir.«
»Ich habe Euer Wort«, erklärte Fernando.
»Ja, das Wort einer Wahren Christin.«
»Mutter … mein Vater möchte, dass Ihr Herrn de Perelha von ihm grüßt. Ihr wisst sicherlich, dass er ihn trotz allem sehr schätzt?«
»Das will ich tun. Ein tapferer Mann, der weiß, dass er sterben muss, ebenso wie seine Gemahlin Corba de Lantar und seine geliebten Töchter.«
»Außerdem hat er mich gebeten, an Herrn de Perelha die Bitte weiterzuleiten, dass er sich um Euch kümmern soll, ich weiß allerdings nicht, wie ich das tun könnte …«
»Ich werde das übernehmen. Doch ist das nicht nötig, denn die Familie de Perelha zeichnet mich ständig durch ihre Zuneigung und Freundschaft aus. So manches Mal hat er mir seine Unterstützung und seinen Geleitschutz angeboten, damit ich auf die Besitzungen deines Vaters in Aínsa zurückkehren kann.«
»Es sind auch Eure, Mutter«, erinnerte Fernando sie.
»Ich besitze nichts und möchte nichts besitzen. Das habe ich vor langer Zeit beschlossen. Ich bedaure lediglich, dass ich dir wie deinem Vater mit meiner Unfähigkeit geschadet habe, zu erreichen, dass auch ihr den Wahren Glauben annehmt.«
»Christus wird über Euch richten.«
»Christus?«
»Unser Herr, Gott.«
»Mein Sohn, wie gern würde ich dir von Jesus sprechen! Du nennst dich Christ und besudelst dennoch deine Seele mit Riten, die nichts mit dem Herrn zu tun haben. Der glücklichste Tag meines Lebens war der, an dem ich das Consolament empfangen habe, die wahre Geisttaufe. Sie ist das einzige Sakrament, das die Errettung der Seele ermöglicht. Als mir der Bischof die Hände aufgelegt hat …«
»Bitte schweigt! Ich will nichts von Eurem Irrglauben wissen.«
»Im Glauben irren diejenigen, die vom rechten Weg abgewichen sind. Vergiss nicht, dass der Herr gesagt hat, ›Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet mit dem Heiligen Geist getauft werden‹.«
»Lasst es gut sein, Mutter. Wir haben nicht genug Zeit für Gespräche über Glaubensfragen!«
Schweigend drückte Doña María die Hände ihres Sohnes. Dann umarmte sie ihn zu seiner Überraschung und brach in Tränen aus.
Fernando wusste nicht, was er sagen sollte. Noch nie hatte er seine Mutter weinen sehen, wohl aber hatte er gehört, wie man in der Burg von Aínsa berichtete, sie habe bei der Geburt ihrer Kinder keinen einzigen Schmerzenslaut von sich gegeben.
»Mutter, verzeiht meine Schroff heit«, bat er.
»Entschuldige du meine Tränen, mein Sohn. Der Abschied von dir fällt mir schwerer, als ich je für möglich gehalten hätte. Du sollst wissen, dass ich dich stets geliebt habe, auch wenn mir klar ist, dass du es nie so empfunden hast. Verzeih mir, wenn du kannst.«
»Bittet mich nicht um Verzeihung, ich … ich liebe Euch. Ich bewundere Euren Glauben wie Eure Standhaftigkeit, und ich beneide Euch, weil Ihr nicht zweifelt …«
»Das Leben gestattet keinen Neubeginn«,
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