Das Blut der Unschuldigen: Thriller
warteten. Als er an Doña María und seine Halbschwester Teresa dachte, überlief ihn unwillkürlich ein Schauer.
»Doch wieder ein Fieberanfall!«, klagte Bruder Péire. »Ich werde den Leibmedikus des Seneschalls kommen lassen. Ihr habt wieder Zuckungen – die Kräuter des Templers taugen nichts …«
»Bleibt hier, Bruder, mir geht es gut«, bat ihn Julián. »Es war nur ein leichter Krampf.«
»Ihr solltet Euch untersuchen lassen …«
»Wirklich, mir geht es gut. Macht Euch keine Sorgen. Sagt mir, was Ihr noch wisst.«
»Herr des Arcis wird ungeduldig, weil sich König Ludwig vor einigen Tagen durch einen Abgesandten nach dem Stand der Dinge erkundigt hat. Der Seneschall hofft, ihm eine gute Nachricht mitgeben zu können, wenn es den Gascognern gelingt, ihr Versprechen zu halten.«
Bei seiner Frage: »Und wer ist der Verräter?«, spürte Julián, wie er errötete.
»Das weiß niemand außer dem Anführer der Gascogner. Es soll ein Verwandter von ihm sein, der eine Frau aus der Gegend geheiratet hat und hier in den Bergen jeden Fußbreit Boden kennt. Auf jeden Fall wird er gut bezahlt. Ein Bote des Seneschalls hat dem Gascogner einen prall mit Münzen gefüllten Beutel gebracht.«
Julián gähnte, um zu zeigen, dass er müde sei, und ließ sich dann auf sein Lager sinken.
»Wollen wir gemeinsam den Rosenkranz beten?«, regte Bruder Péire an.
»Ich danke Euch, aber das habe ich bereits vor Eurer Ankunft getan. Ich bete immer gern allein, bevor ich mich zum Schlafen niederlege.«
»Dann gehe ich jetzt. Sofern Ihr etwas braucht …«
»Habt Dank, Bruder.«
Kaum hatte Bruder Péire das Zelt verlassen, als zu Juliáns Überraschung Fernando eintrat.
»Wie geht es dir?«, wollte der Templer wissen.
»Ich bin ziemlich bedrückt wegen einer Mitteilung, die
mir Bruder Péire soeben gemacht hat. Wusstest du, dass es in Montségur einen Verräter gibt?«
»Nicht in Montségur. Ein Mann aus der Umgebung, und man sagt, er sei ein Verwandter des Anführers der Gascogner.«
Eine Weile schwiegen beide, tief in Gedanken versunken.
»Was wollen wir tun?«, fragte Julián.
»Tun? Wir? Ich verstehe dich nicht.«
»Deine Mutter ist dort oben und …«
»Sie hat ihre Entscheidung getroffen.«
Erneut schwiegen beide und dachten an Doña María.
»Ich habe noch nichts von dem Ziegenhirten gehört«, begann Julián.
»Meine Mutter wird ihr Wort halten und uns wissen lassen, wo und unter welchen Umständen wir Teresa in Empfang nehmen können.«
»Und wenn es ihr nicht gelingt, sie hinauszuschaffen …«
»Da kennst du meine Mutter nicht! Es wird ihr gelingen, und wenn sie dafür allein auf sich gestellt dem ganzen Heer des Seneschalls die Stirn bieten müsste.«
»Ja, das brächte sie fertig.«
»Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass ich hier nicht lange bleiben werde. Sobald ich meine Schwester in Sicherheit weiß, gehe ich fort. Genau gesagt gehen wir alle.«
»Deine Ordensbrüder auch?«
»Ja. Wir haben den Seneschall davon überzeugt, dass er uns nicht braucht, da er sich für den Einsatz der Belagerungsmaschinen auf den Erfindungsreichtum des Bischofs von Albi verlassen kann. Außerdem werden wir in der Komturei erwartet, denn wir sollen bald wieder in den Orient aufbrechen.«
»Ihr Templer mögt nicht gegen Irrgläubige kämpfen«, hielt ihm Julián vor.
»Es sind Christenmenschen wie wir. Sie nennen sich Gute Christen, und mitunter denke ich, dass sie diese Bezeichnung mit Fug und Recht tragen. Worin besteht denn ihr Vergehen? Sie leben in Armut und geben damit ein Beispiel, helfen den Bedürftigen, heilen Kranke, nehmen Waisen auf …«
»Aber sie glauben nicht an Unseren Herrn«, wandte Julián ein.
»Doch, nur auf andere Weise. Sie verabscheuen das Kreuz als Symbol Seines Leidens und sagen, dass Jesus nicht der sichtbaren Welt angehört. Ihrer Überzeugung nach gibt es einen guten und einen bösen Gott. Wie ließe sich sonst das Ausmaß an Ungerechtigkeit und Leiden auf der Welt verstehen? Auf welche andere Weise ließe sich erklären, dass Gott, sofern er der Schöpfer von allem ist, das Böse in die Welt gesetzt hat oder es zumindest zulässt? Was hat Er mit dem Tod so vieler Unschuldiger zu tun? Satan existiert und besitzt eine unendliche Macht. Wir bezeichnen den Bösen auf eine Weise und sie auf eine andere. Im Übrigen sind die Unterschiede nicht besonders groß.«
»Was sagst du da! Du frevelst!«
»Mein guter Dominikaner! Mitunter vergesse ich, dass du Schreiber der
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