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Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Titel: Das Blut der Unschuldigen: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro , K. Schatzhauser
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Bonnard, »aber nur so lange, wie nötig ist, dass sich der Erzbischof und der Seneschall nicht gekränkt fühlen können. Sofern wir das vermeiden können, werden wir an keinen Kämpfen teilnehmen, doch denke ich, dass wir in dieser Hinsicht beruhigt sein dürfen. Mit Sicherheit werden die Belagerten keinen Ausfall zu unternehmen versuchen, und bis es dem Seneschall gelingt, sie von diesem teuflischen Felssporn herunterzuholen, wird es noch eine ganze Weile dauern.«
    Kaum hatte er das gesagt, überbrachte ein Bote die Einladung des Erzbischofs von Narbonne zum Abendessen. Die Ritter nahmen gern an, denn sie wollten unbedingt das Prunkzelt des Erzbischofs kennenlernen, von dem es hieß, es sei noch
prachtvoller eingerichtet als das des Seneschalls. Hier war die schwache Stelle der Kirche: Ihre Vertreter führten nicht von fern ein Leben der Bedürfnislosigkeit und Demut, wie es Christus gelehrt hatte. Dabei hatte der Ordensgründer Dominikus ein Beispiel dafür geliefert, dass es in der Kirche noch Menschen gab, die das Vorbild des Herrn nicht vergessen hatten. Wohl hatte er mitsamt seinen Ordensbrüdern ein vorbildlich asketisches Leben geführt, doch für Menschen, die nicht bereit waren, in den Schoß dieser Kirche zurückzukehren, hatten sie nicht das geringste Erbarmen gezeigt.

6
    Der Ziegenhirte ließ auf sich warten.
    Fernando war unruhig. Er fürchtete, etwas Unvorhergesehenes habe seine Mutter daran gehindert, nach ihm und Julián zu schicken.
    Tiefe Nacht hatte sich über das Feldlager gesenkt. Von Zeit zu Zeit hörte man bis in Juliáns Zelt die Stimmen der Wachen, die einander das Losungswort zuriefen.
    Als der Hirte endlich in den Eingang des Zeltes trat und leise Juliáns Namen rief, eilten beide Männer auf ihn zu.
    »Wieso kommst du so spät?«, wollte Fernando wissen.
    Mit einem verdrießlichen Blick gab ihm der Mann zur Antwort: »Ich sehe, Herr, dass Ihr ein Kriegsmann seid. Dann müsstet Ihr eigentlich wissen, dass nicht nur der Seneschall überall
Augen hat, sondern auch die gascognischen Teufel seit zwei Nächten das Gelände um die Festung erkunden. Sie streifen überall umher, und ich möchte ihnen nicht in die Hände fallen. Vermutlich könnt Ihr Euch nicht ausmalen, was der Seneschall mit einem Verräter tun würde. Aber in Wahrheit bin ich kein Verräter, sondern ein einfacher Landmann, ein Gläubiger, der dem wahren Gott dient.«
    »Genug geredet«, erklärte Fernando. »Führ uns dorthin, wo man uns erwartet.«
    Der Nachthimmel hüllte sie ein wie ein schwarzer Mantel, und so sahen sie kaum einige Schritt weit. Doch der Ziegenhirt führte sie mit der Sicherheit dessen, der seinen Weg noch mit geschlossenen Augen kennt, zwischen den mit dornigem Gestrüpp bewachsenen steilen Felsabhängen hindurch.
    Fernando kam der Weg sehr lang vor, und es überraschte ihn, dass Julián keinen Laut der Klage von sich gab. Ihm wurde klar, dass sein Bruder Doña María wohl recht häufig aufgesucht hatte und diesen und ähnliche Wege schon des Öfteren gegangen war.
    Unvermittelt blieb ihr Führer stehen und gebot ihnen mit erhobener Hand Halt. Sie fürchteten schon, einer Streife der Gascogner zu nahe gekommen zu sein, doch mit einem Mal trat eine Gestalt in einem schwarzen Umhang aus einem Gebüsch hervor.
    »Endlich!«, hörten sie eine Stimme in vorwurfsvollem Ton sagen. Dann musterte die Frau den Templer so aufmerksam, wie die Dunkelheit das zuließ.
    »Du hast dich sehr verändert; ein richtiger Mann.«
    Daraufhin umarmte sie ihn mit einem tiefen Seufzer, bemüht, ihre Tränen zurückzuhalten.
    Fernando nahm leichten Lavendelgeruch wahr, als sie ihn
in die Arme schloss. Auch als Vollendete blieb sie eine Frau von Adel, die selbst unter den widrigsten Umständen stets eine gewisse Eitelkeit pflegen würde, und wenn sie nur ihren groben Umhang parfümierte.
    »Setzt euch. Es gibt viel zu besprechen, und die Zeit ist knapp. Wie geht es dir, Julián? Ich finde, dass du besser aussiehst. Fernando, mein Sohn, berichte mir, wie es dir in den Jahren gegangen ist, in denen wir einander nicht gesehen haben. Julián hat mir gesagt, dass du deinen Vater besucht hast und dass es ihm einigermaßen gut geht. Mich tröstet das Bewusstsein, dass sich deine Schwester Marta um ihn kümmert. Sie kann das besser als ich, da sie die Geduld und Sanftheit des Wesens besitzt, die mir fehlen. Doch ich bete für ihn.«
    Fernando sah sie voll Rührung an.
    Graue Strähnen durchzogen ihr einst blondes Haar, die Züge ihres

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