Das Blut der Unschuldigen: Thriller
Vielleicht ist es besser, wenn Sie sich hier in Paris treffen oder an der Côte d’Azur.«
»Kennt Karakoz diese Frau?«
»Auch ihn dürfen Sie ihr gegenüber nicht erwähnen. Natürlich kennt er sie und weiß, dass sie nichts will als Rache. Nachdem er erfahren hat, dass sie noch lebt und sich in ihrem Heimatdorf aufhält, hat er sich über Bekannte mit ihr in Verbindung gesetzt und durch diese feststellen lassen, wie weit sie gehen würde. Er hat alles aus der Ferne organisiert. Sie wartet schon seit mehreren Monaten auf die Gelegenheit, ihre Rache
auszuführen. Zwei Brüder und eine Kusine werden sie begleiten.«
»Wie kommt es, dass Karakoz als Serbe in Verbindung mit der Gruppe steht?«
»Er ist Serbobosnier, und seine Kontakte reichen überall hin«, sagte der Koordinator. »Er bewegt sich in allen Teilen des einstigen Jugoslawien und in sämtlichen arabischen Ländern wie in seinem eigenen Hause. Da er gut zahlt, stellt ihm niemand Fragen, und so kommt er auch an verlässliche Informanten. Außerdem liefert er nur erstklassige Ware. Es gibt im Waffengeschäft keinen Besseren, deshalb kaufen alle bei ihm.«
»Er weiß von uns allen, trotzdem vertrauen Sie ihm …«
»Es ist Karakoz einerlei, wer mit dem Material umgebracht wird, das er liefert. Als Geschäftsmann weiß er, dass Verschwiegenheit die Grundlage seines Erfolges ist.«
»Kaufen Sie den Sprengstoff für Ylena über ihn?«
»Ja. Die Nummer seines Vertrauensmannes in Paris haben Sie ja bereits. Er ist unter dem Namen ›der Jugoslawe‹ bekannt. Denken Sie unbedingt daran, dass al-Bashir und Ylena auf keinen Fall etwas voneinander wissen dürfen. Es ist besser, wenn die Kommandos in jeder Hinsicht unabhängig arbeiten, damit sich später keine Beziehung zwischen ihnen herstellen lässt. Sofern al-Bashir wüsste, was wir vorhaben, würde er es mit allen Mitteln zu verhindern suchen, denn wie Sie wissen, verbirgt sich hinter seiner Maske als leidenschaftsloser Wissenschaftler ein fanatischer Islamist. Ihm sind die Reliquien Mohammeds heilig.«
»Na ja, ein fanatischer Islamist, der guten Wein zu schätzen weiß.«
»Jeder von uns hat seine Widersprüche … Übrigens kennt Ylena das Ziel des Anschlags noch nicht. Sie werden es ihr in
Einzelheiten erklären, das nötige Geld geben und ihr sagen, wo sie das Material bekommt. Sobald Sie den Jugoslawen bezahlen, gibt er Ihnen falsche Papiere für sie und die anderen Mitglieder des Istanbul-Kommandos und sorgt dafür, dass man den Leuten den Sprengstoff dort übergibt, wo sie ihn brauchen, damit sie damit keine Grenzen überqueren müssen. Er wird Ihnen in den nächsten Tagen den genauen Plan für Ylena vorlegen, Ihnen sagen, in welchem Hotel sie sich in Istanbul einmieten soll, wie sie dorthin kommt und sich in den Örtlichkeiten des Topkapi zurechtfindet … alles, was sie wissen muss.«
»Werden Sie mich anrufen?«
»Ja, in wenigen Tagen.«
»Die Katharer waren gegen die Gewalt«, sagte der Graf, »doch mitunter gibt es keine andere Möglichkeit.«
»Mir ist unwichtig, woran Sie glauben, zu wem al-Bashir betet oder wessen Schutz sich Ylena anvertraut. Sie alle drei werden im Namen Gottes töten, doch das interessiert weder mich noch die Herren, die ich vertrete. Ihnen ist anderes wichtig: Grenzen müssen neu definiert, Fabriken in Gang gehalten werden und so weiter.«
»Und Sie sind der Dirigent des Ganzen?«
»Ja. Ich darf Sie hier absetzen. Es ist nicht weit bis zu Ihrem Haus.«
Angewidert stieg d’Amis aus. Der Mann hatte ihm nie zugesagt. Er fand ihn trotz seiner untadelig geschnittenen Anzüge plebejisch. Seine Art zu sprechen verriet seine Herkunft, aber er war nun einmal auf ihn angewiesen. Während er sich auf den Heimweg machte, musste er an sein erstes Zusammentreffen mit diesem Mann denken, der sich »Koordinator« nennen ließ.
Er hatte sich vor etwa einem Jahr unangemeldet auf der
Burg eingefunden und erklärt, er kenne alte Freunde seines Vaters, deutsche Patrioten, die nach dem Krieg hatten untertauchen müssen.
Ohne lange um den heißen Brei herumzureden, hatte er ihm eine Luxusausgabe von Bruder Juliáns Chronik gezeigt. »Sie sind dazu ausersehen, das Blut der Unschuldigen zu rächen, nachdem Ihr Vater dahingeschieden ist, ohne eine Möglichkeit dazu gefunden zu haben.«
Hingerissen hatte er zugehört, während ihm der Mann seinen einfachen Plan entwickelte, zu dessen Verwirklichung lediglich Geld und der Glaube an die Sache erforderlich waren. Beides besaß der
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